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Der Herr der Unterstadt: Thriller (German Edition)

Der Herr der Unterstadt: Thriller (German Edition)

Titel: Der Herr der Unterstadt: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Polansky
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sprechen.«
    Statt Einwände zu erheben, wie ich erwartet hatte, lächelte er mich nur kurz an und wandte sich dann wieder dem Jungen zu. »Bei jedem Ton kommt eine andere Farbe heraus. Siehst du?« Er stieß erneut in die Trompete, aus der nun blaugrüne Funken hervorsprudelten.
    Schweigend stiegen wir zum Wintergarten hinunter. Die Glastür war von der feuchten Hitze beschlagen. Celia öffnete sie und führte mich hinein. Sie ließ mir keine Zeit, mich umzusehen und die neue Blütenpracht zu bewundern, sondern kam sofort zur Sache. »Nun? Wie steht es mit unserer Untersuchung?«
    »Sollte der Meister bei diesem Gespräch nicht dabei sein?«
    »Wenn du einen todkranken Mann um eine der wenigen Freuden bringen willst, die ihm noch geblieben sind, bitte. Auf deine Verantwortung.«
    Das war kein allzu großer Schock. Schließlich hatte ich ja gesehen, wie schlecht Blaureiher beieinander war. Trotzdem ging es mir gegen den Strich, meinen Verdacht bestätigt zu finden. »Er ist todkrank?«
    Celia setzte sich neben eine pinkfarbene Orchidee auf einen Hocker und nickte traurig.
    »Was fehlt ihm denn?«
    »Er ist alt. Sein genaues Alter verrät er mir zwar nicht, aber er wird mindestens fünfundsiebzig sein.«
    »Das tut mir leid.«
    »Mir auch«, erwiderte sie, um rasch fortzufahren: »Diese Angelegenheit mit den Kindern bedrückt ihn. Er hat immer … ein weiches Herz gehabt.«
    »Ich glaube, man braucht nicht übermäßig empfindsam zu sein, um Kindermord abscheulich zu finden«, entgegnete ich, indem ich mir ein paar Pollen aus dem Auge wischte und meinen Niesreiz unterdrückte.
    »So hab ich das nicht gemeint. Was den Kindern widerfahren ist, ist schrecklich. Aber der Meister kann nicht viel dagegen tun. Er ist nicht mehr der, der er einmal war.« Ihre Augen nahmen einen entschlossenen Ausdruck an. »Blaureiher hat den Menschen dieser Stadt ein halbes Jahrhundert lang geholfen. Er verdient es, seine letzten Tage in Ruhe zu verbringen. Wenigstens das bist du ihm doch wohl schuldig, oder?«
    »Ich bin dem Meister mehr schuldig, als ich ihm je vergelten könnte.« Dabei dachte ich an den früheren Blaureiher zurück, an die Zeit, als sein Rücken noch nicht so krumm gewesen war, und erinnerte mich an das humorvolle, schelmische Funkeln seiner Augen. »Aber darum geht es nicht. Dieser Sache muss ein Ende gemacht werden, und meine Hilfsmittel sind nicht so, dass ich es mir leisten könnte, einen Verbündeten zu verlieren.« Ich lachte bitter. »In einer Woche wird das ohnehin keine Rolle mehr spielen.«
    »Was soll das heißen?«
    »Vergiss es. War nur ein schlechter Scherz.«
    Obwohl meine Antwort sie nicht befriedigte, verfolgte sie das Thema nicht weiter. »Wenn du Hilfe brauchst, werde ich sie dir nicht verweigern. Meine Fähigkeiten und mein Wissen werden zwar nie an das von Blaureiher heranreichen, aber ich bin immerhin Zauberin Ersten Ranges.« Sie wies mit einer dezenten Kopfbewegung auf den Ring, der das bezeugte. »Der Meister hat lange genug über die Unterstadt gewacht. Nachdem ich die Leitung des Magierhorsts übernommen habe, ist es jetzt vielleicht an der Zeit, mir den Mantel seiner Würde vollends umzulegen.«
    In den Jahren, in denen wir uns nicht gesehen hatten, war Celia älter geworden. Sie war schon lange nicht mehr das Kind, das ich vor Jahrzehnten zum Magierhorst gebracht hatte. Obwohl sie manchmal noch wie eins sprach – Mantel seiner Würde , meine Güte!
    Celia nahm mein Schweigen für Zustimmung. »Hast du irgendwelche Anhaltspunkte?«
    »Ich habe einen Verdacht.«
    »Ich will dich ja nicht drängen, aber könntest du vielleicht ein bisschen deutlicher werden?«
    »Ich war auf einer Party, die Lord Beaconfield, die Lächelnde Klinge, gegeben hat. Während unseres Gesprächs hat mir der Edelstein auf meiner Brust Schmerzen verursacht.«
    »Und du hieltest es nicht für nötig, mir das gleich mitzuteilen?«
    »Das bedeutet nicht so viel, wie man annehmen könnte. Soweit es die Polizei betrifft, bedeutet es gar nichts. Wenn es sich um irgendeinen Penner aus der Unterstadt handeln würde, könnte ich dem Alten Bescheid sagen. Der würde ihn ins Schwarze Haus bringen und dort in die Mangel nehmen lassen. Bei einem Adligen geht das aber nicht, da müssen Recht und Gesetz gewahrt bleiben, und das heißt, man kann nicht einfach jemanden verhaften und durch den Wolf drehen, bloß weil der gesetzwidrig erworbene magische Talisman eines ehemaligen Ermittlungsbeamten auf ihn reagiert.«
    »Nein«, sagte sie

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