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Der Herr der Unterstadt: Thriller (German Edition)

Der Herr der Unterstadt: Thriller (German Edition)

Titel: Der Herr der Unterstadt: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Polansky
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Blaureiher. Ein komischer Name, ich weiß. Möchtest du mir vielleicht auch deinen Namen verraten?«
    Das Mädchen sah zu mir hoch, als bäte es um Erlaubnis. Ich klopfte ihr aufmunternd auf den Rücken. »Celia«, brachte sie schließlich heraus.
    Die Augen Blaureihers leuchteten in gespieltem Erstaunen auf. »Das ist mein Lieblingsname! Mein ganzes Leben lang habe ich gehofft, jemanden mit diesem Namen kennenzulernen, und jetzt tauchst du mitten in der Nacht vor meiner Tür auf!« Celia sah aus, als wollte sie kichern, wüsste aber nicht mehr, wie man das macht. Blaureiher streckte ihr die Hand hin. »Lass uns zusammen eine Tasse Tee trinken. Dabei kannst du mir erzählen, wie es ist, als eine Celia geboren zu werden. Sicher sehr aufregend.«
    Das entlockte ihr ein Lächeln, das erste Lächeln, das ich bisher bei ihr gesehen hatte. Sie ergriff Blaureihers Hand. Er richtete sich behutsam auf und führte sie in den Turm. Als er durch die Tür getreten war, wandte er sich zu mir zurück und schaute mich einladend an.
    »Ich komme bald vorbei, um nach ihr zu sehen«, sagte ich.
    Als Celia klar wurde, dass ich nicht mitkam, wandte sie sich mit flackerndem Blick zu mir um, sagte jedoch kein Wort. Ich verspürte ein Brennen in der Brust und merkte, wie ein beklemmendes Gefühl in mir aufstieg. Überstürzt rannte ich in die Nacht davon, während die zwei noch in der Tür standen, eingehüllt in den sanften Lichtschein, der aus dem Turm fiel.

19
    Während ich versuchte, die Aufmerksamkeit des Türhüters zu erregen, dachte ich daran zurück, wie ich das erste Mal eine Waise zu Blaureiher gebracht hatte. Der Gargoyle rührte sich nicht. Als Worte nichts fruchteten, bewarf ich die Statue mit einem Kieselstein, der aber an ihr abprallte, ohne eine Wirkung hervorzurufen.
    »Warum tust du das?«, fragte Zeisig, der auf der innersten Mauer des Irrgartens hockte.
    »Normalerweise reagiert er.«
    »Wer?«
    »Das sprechende Zauberwesen, das über der Tür thront, wer sonst?«
    Zeisig war so klug, mich nicht mit weiteren Fragen zu reizen. Ich setzte mich neben ihn, holte meinen Tabaksbeutel aus dem Ranzen und machte mich daran, mir eine Zigarette zu drehen. »Scheißmagie. Ohne sie wären wir alle besser dran.«
    »Das ist Quatsch«, entgegnete Zeisig mit überraschender Heftigkeit.
    »Tatsächlich? Dann nenn mir mal eine gute Sache, die wir der Magie zu verdanken haben.«
    »Blaureihers Schutzzauber.«
    Ich zündete meine Zigarette hinter vorgehaltener Hand an. »Jetzt noch eine.«
    »Ich habe gehört, dass Frater Hallowell von der Prachetas-Kirche die Fähigkeit besitzt, Menschen durch Handauflegen zu heilen.«
    »Hat Frater Hallowell dich schon mal geheilt?«, fragte ich, Gift von minderer Qualität inhalierend.
    »Nein.«
    »Oder jemand, den du kennst?«
    Zeisig schüttelte den Kopf.
    »Dann zählt das wohl nicht, oder?«
    »Nein«, erwiderte er. Wie gewöhnlich begriff er schnell, was ich meinte. »Nicht so richtig.«
    »Bring da nichts durcheinander – die zwei im Magierhorst sind Anomalien, Ausnahmen, die die Regel bestätigen. Sobald du das anders siehst, bist du aufgeschmissen.«
    Der Junge dachte über das Gesagte nach, während ich meine Zigarette zu Ende rauchte. »Wie lange kennst du Blaureiher schon?«
    »Seit fünfundzwanzig Jahren.«
    »Warum lässt er dich dann nicht in den Turm?«
    Eine gute Frage. Selbst wenn mir Blaureiher keine Audienz gewährt hatte, was bisher selten vorgekommen war, war sein Türhüter doch immer zum Leben erwacht, um meine Bitte abzulehnen. Wenn die Abwehrmechanismen des Magierhorsts nicht mehr richtig funktionierten, dann hieß das, dass es um Blaureihers Gesundheit schlechter bestellt war, als ich angenommen hatte. Ich hob einen weiteren Stein auf, diesmal einen größeren, und bewarf den Wächter damit. Abermals ohne Erfolg. Schließlich setzte ich mich wieder auf die Mauer.
    Ich wurde immer ungehaltener, riss mich jedoch zusammen. Zeisig schwang seine Beine über die weiße Mauer. Ich folgte seinem Beispiel, sodass wir beide in Richtung Stadt blickten.
    »Gefällt mir, dieses Labyrinth«, sagte Zeisig.
    »Das ist ein Irrgarten.«
    »Wo ist da der Unterschied?«
    »In einem Labyrinth gibt es nur einen Weg, der zum Zentrum führt. Ein Irrgarten besteht aus vielen verschiedenen Wegen, die enden, sobald man einen Ausgang findet.«
    Ich erhob mich, um Celia zu begrüßen, die lächelnd aus dem Turm trat.
    »Tut mir leid, dass du warten musstet. Ich habe zwar die Leitung des Magierhorsts

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