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Der Herr der Unterstadt: Thriller (German Edition)

Der Herr der Unterstadt: Thriller (German Edition)

Titel: Der Herr der Unterstadt: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Polansky
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miteinander zu plaudern.«
    Zeisig gab keine Antwort. Celias Gesicht blieb unverändert freundlich, als sie uns zum Abschied zuwinkte.
    Dann verließen wir den Magierhorst und machten uns nach Norden auf. Unterwegs ging ich in Gedanken durch, was ich erfahren hatte, und suchte nach irgendeinem erhellenden Detail, das mit dem Rest zusammenpasste.
    Zeisig riss mich aus meinen Überlegungen. »Der Turm gefällt mir.«
    Ich nickte.
    »Und Blaureiher mag ich auch.«
    Ich wartete darauf, dass er noch etwas hinzufügte, doch das tat er nicht. Schweigend setzten wir unseren Weg fort.

20
    Etwa eine Stunde später traf ich mich mit Guiscard vor einem kleinen, kastenförmigen Gebäude, das ein paar Blocks vom Schwarzen Haus entfernt lag. Da ich an diesem Tag bereits die Gastfreundschaft meiner ehemaligen Arbeitgeber genossen hatte, war ich nicht sonderlich erpicht darauf, in die Nähe des Schwarzen Hauses zurückzukehren. Ich tröstete mich jedoch mit dem Gedanken, dass räumliche Nähe nicht erforderlich sein würde, falls der Alte meinen Tod wollte. Das war zwar nicht gerade die Art Trost, die einem einen ruhigen Nachtschlaf beschert, aber besser als gar nichts.
    Das Gebäude, vor dem wir verabredet waren, gehörte zu jenen Bauten, die man vorsätzlich so gestaltet zu haben scheint, dass nichts darauf hinweist, was in ihrem Innern vor sich geht. Ein Lagerhaus, hätte man vielleicht vermutet, wenn auch nur, weil einem nichts Unbestimmteres einfiel. Im Gegensatz zum Schwarzen Haus sah man der Box ihren Zweck nicht schon von Weitem an. Wozu das Gebäude diente, war kein Geheimnis, obwohl die meisten Einwohner von Rigus gern so taten, als wüssten sie nicht Bescheid. Denn die Box war der Sitz der Seher, und ihre Aufmerksamkeit zu erregen hieß, dass alle persönlichen Geheimnisse ans Tageslicht gebracht wurden – und wer von uns hat nicht das eine oder andere zu verbergen?
    Der Junge zuckelte schweigend hinter mir her, noch stärker in sich gekehrt als gewöhnlich. Ich machte mir nicht die Mühe, ihn aus der Reserve zu locken, hatte ich doch andere Dinge im Kopf.
    Mein zweitliebster Ermittlungsbeamter – vor ihm rangierte noch Crowley – stand verdrossen neben dem Eingang und rauchte ein Zigarette, als geschähe das zur Zierde und wäre keine Sucht. Er bemerkte uns schon von Weitem, tat aber so, als sähe er uns nicht, um für sein theatralisches Getue noch mehr Zeit zu gewinnen. Es passte ihm nicht, dass ich bei dieser Sache mit dabei war, und das wollte er mir klar und deutlich zu verstehen geben.
    Als wir so nahe waren, dass er uns nicht mehr ignorieren konnte, schnippte er seine halb aufgerauchte Lulle in den Dreck und musterte mich mit der üblichen Begeisterung. Dann richtete er den Blick auf Zeisig. »Wer ist das?«, fragte er in fast freundlichem Ton, riss sich aber schnell zusammen und verzog seine dünnen Lippen auf gewohnt höhnische Weise.
    »Sehen Sie denn nicht die Ähnlichkeit?« Ich schob Zeisig ein Stück vor. »Die wohlgeformte Nase, die anmutige Haltung, die von edlem Blut zeugt. Sie waren damals vierzehn, ein oberflächlicher, fader Junge – sie war Kammermädchen, hatte einen Klumpfuß und einen starken Unterbiss. Als Ihre Eltern von der Affäre erfuhren, steckten sie sie in ein Kloster und schickten die Frucht Ihrer Beziehung ins Ausland.« Ich verwuschelte dem Jungen das Haar. »Aber jetzt ist er wieder da. Ich könnte mir vorstellen, dass ihr zwei euch eine Menge zu erzählen habt.«
    Zeisig deutete ein Grinsen an. Guiscard schüttelte angewidert den Kopf. Theatralisches Getue, das nicht auf seinem Mist gewachsen war, gefiel ihm nicht. »Schön, dass Sie sich Ihren Humor bewahrt haben. Ich hätte gedacht, dass Ihnen in Anbetracht der Situation die Lust auf solche kindischen Späße vergangen ist.«
    »Erinnern Sie mich bloß nicht daran. Ich musste heute schon zweimal die Hosen wechseln.«
    Zu mehr scherzhaftem Geplauder war er ohne fremde Hilfe nicht imstande. Deshalb drehte er sich um und trat ins Gebäude.
    »Ich bin in ein paar Minuten wieder da«, sagte ich zu Zeisig. »Sieh zu, dass du nichts anstellst, was Adolphus veranlassen könnte, mich totzuprügeln.«
    »Lass dir von dem Schneemann nichts gefallen«, erwiderte er.
    Ich lachte und fühlte mich irgendwie geschmeichelt, dass sich der Junge meine Fehden so zu eigen machte. »Ich lass mir von niemandem was gefallen«, entgegnete ich, obwohl in der letzten Zeit das genaue Gegenteil zuzutreffen schien.
    Er wurde rot und starrte auf seine Füße.

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