Der Herr der Unterstadt: Thriller (German Edition)
sagte ich.
Yanceys Lachen ist unnachahmlich und hat einen vollen, satten Klang. Sein ganzer Körper bebte vor Heiterkeit. »Du hast vielleicht eine Art, ein Gespräch anzufangen.«
»Ich bin nun mal ein Charmeur«, erwiderte ich. »Erstens brauche ich jemanden, der mir was über Beaconfield erzählen kann.«
»Da bist du bei mir an der falschen Adresse, Mann. Ich bin ihm erst zweimal begegnet.« Er lächelte verschwörerisch und senkte die Stimme. »Außerdem ist es nicht klug, wenn jemand wie ich dem Herrn des Hauses zu viel Aufmerksamkeit schenkt, kapiert?« Er blies eine Reihe von sattgrünen und hellorangefarbenen Rauchringen aus, die der Wind in Richtung Hafen trug. Selbst aus dieser Entfernung konnte man noch einiges von dem hektischen Treiben auf den Docks wahrnehmen. »Könnte aber sein, dass ich jemanden kenne. Hast du schon mal von Mairi der Dunkeläugigen gehört? Hat nördlich der Innenstadt ein Etablissement namens Samthütte.«
»Zweifellos ein Haus der Anbetung des Fleisches.«
»Darauf kannst du Gift nehmen, Bruder. Gelobt sei der Erstgeborene!« Er kicherte und schlug mir auf den Rücken. »Jedenfalls ist sie eine alte Freundin von mir. Es heißt, sie sei vorzeiten mal die Geliebte des Kronprinzen gewesen. Jetzt stellt sie Adligen und reichen Bankiers hochkarätige Mösen zur Verfügung. Außerdem steht sie …«, er zwinkerte mir zu, »… mit jeder Leiche in jedem Keller von hier bis Miradin auf Du und Du.«
»Eine wahre Nekromantin.«
»Sie hat viele Talente«, entgegnete er. »Ich geb ihr Bescheid, dass du bei ihr vorbeikommst.«
»Das war der erste Gefallen. Der zweite wird dir gewiss nicht behagen. Ich möchte, dass du eine Weile verschwindest.«
Er sackte förmlich in sich zusammen. »Na hör mal, das kann doch wohl nicht dein Ernst sein.«
»Fahr für ein paar Tage an die Küste. Oder besuch deine Freunde bei den Ashern, wenn du unbedingt in der Stadt bleiben willst. Hauptsache ist, du trittst nicht auf und hältst dich von den üblichen Treffs fern.«
»Ich habe aber keine Lust, eine Reise zu machen, Mann.«
»Wenn es um Geld geht …«, sagte ich.
»Darum geht es nicht, Mann, ich hab genug Geld, ich brauch nicht betteln zu gehen.« Er blitzte mich durch den Rauch hindurch wütend an. »Es geht um dich – das Einzige, was du kannst, ist, einen in die Scheiße zu reiten. Du bist das reinste Gift – jeder, mit dem du zu tun hast, gerät in Schwierigkeiten, weißt du das eigentlich? Jeder . Ich habe mit niemandem Probleme. Dann erweis ich dir ’ne Gefälligkeit, und was passiert? Ich werde in meiner eigenen Scheißstadt zum Verbannten.« Er seufzte, nahm einen weiteren Zug und blies mehrfarbigen Rauch in die Luft. »Geht’s um die Lächelnde Klinge?«
»Ja.«
»Ich hab dir doch gesagt, er ist gefährlich. Hörst du eigentlich niemals auf jemanden?«
»Wahrscheinlich nicht genug.«
»Warum ist er hinter dir her?«
»Ich bin ziemlich sicher …«
Yancey fuhr mir mit einer Handbewegung ins Wort. »Schon gut, Mann. Will ich gar nicht wissen.«
Das war vermutlich das Beste. »Ich werde dich für alles entschädigen.«
»Wer’s glaubt, wird selig.«
Dann lehnten wir lange am Geländer und reichten den Joint hin und her, bis er fast aufgeraucht war. Schließlich brach Yancey das Schweigen. »Hat Mom wieder versucht, dich zu verkuppeln?«
»Mit Esti Ibrahim. Glaube, so heißt sie.«
Nachdenklich sog er an den Zähnen. »Macht den besten Bratfisch von Rigus, hat aber einen Arsch vom Umfang des Herds, auf dem sie ihn brät.«
»Der Fisch, den ich gegessen habe, war verdammt gut«, bestätigte ich.
Er kicherte, und allein schon aus Höflichkeit hätte ich in sein Kichern einfallen sollen. Doch das Gespräch mit Meskie lag mir immer noch so im Magen, dass es mir schwerfiel, heiter zu sein. »Dann redest du also mit Mairi?«
Sein Anflug von guter Laune verflüchtigte sich. »Hab ich dir doch versprochen, oder?«, erwiderte er mürrisch. »Wenn ich was verspreche, dann halte ich’s auch. Nach dem Lunch schick ich jemanden zu ihr. Dann kannst du sie besuchen, wann immer du willst.« Er nahm einen letzten Zug und spie eine zinnoberrote Wolke aus. »Wenn ich sonst nichts mehr für dich tun kann, wie wär’s dann, wenn du dich verpisst? Muss darüber nachdenken, wo ich heute Nacht schlafe.«
Yanceys Beruf erforderte eine gewisse Fertigkeit mit der Zunge, und ich hatte vermutlich eben die raue Seite davon zu spüren bekommen. Um seine Worte zu unterstreichen, schnippte er
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