Der Herr der Welt
sagte Lilith anzüglich. »Ich überlege aber noch, was ich von deinem plötzlichen Auftauchen halten soll .«
Nona trat einen Schritt näher und fixierte Lilith. »Auf welcher Seite stehst du?« fragte sie. »Rede nicht um den heißen Brei herum!«
Lilith lächelte diabolisch. »Du hast nicht das geringste Recht, diese Frage zu stellen. Aber ich kann Verbündete brauchen. Einmal habe ich den Fehler begangen, ein Bündnis auszuschlagen - du siehst, was es mir einbrachte.«
»Also bist du gegen Anum?« bohrte Nona nach.
Lilith legte den Zeigefinger an die Lippen. »Du mußt lernen, daß man in Anums Palast seinen Namen nicht aussprechen sollte. Seine magischen Fallen sind allgegenwärtig, und die Wände könnten nur Illusion sein und den Spion dahinter verbergen. Trotzdem antworte ich dir: Ja, ich bin auf eurer Seite. Oder ihr auf meiner, um die Situation besser auszudrücken.«
Nona schüttelte den Kopf. »Ich begreife trotzdem nicht, wieso du hier ausharrst? Was hast du vor?«
»Zeit ist bedeutungslos für mich. Ich warte einfach meine Stunde ab, während ich mit jedem Tag, den ich hier bin, weiter daran arbeite, das Vertrauen des Herrschers zu gewinnen.«
»Und Landru? Ich habe mit ihm gesprochen. Er lebt, wie du wissen wirst. Er allein ist mächtig genug, Anum herauszufordern!«
Lilith schaute Nona spöttisch an. »Im Moment ist Landru nur ein Schatten seiner selbst. Aber du hast recht. Ich verfolge ähnliche Gedanken .«
Kierszan, der bislang geschwiegen hatte, trat vor und sagte: »Das alles interessiert mich herzlich wenig. Sag uns, wie wir hier wieder herauskommen!«
Lilith sah ihn geringschätzig an.
»Dein Begleiter scheint mehr Muskeln als Hirn zu haben«, sagte sie. »Du wirst wissen, warum du ihn dir ausgesucht hast.«
Mit einem Sprung war Kierszan heran. Er wollte nach Lilith greifen, aber sie wich geschickt zur Seite. Mit einem Handkantenschlag streckte sie ihn nieder. Stöhnend sank er zu Boden.
»Wagt es lieber nicht, mir zu nahe zu treten«, warnte sie. »Anums Magie hat meine Kräfte verzehnfacht. Er mag starke Frauen an seiner Seite.«
Kierszan rappelte sich wieder auf. Er konnte noch immer nicht glauben, von einer Frau geschlagen worden zu sein. Er wollte sich abermals auf Lilith stürzen. Nona hielt ihn zurück.
»Ich würde es nicht testen, ob sie die Wahrheit sagt«, warnte sie ihn. Dann wandte sie sich wieder an Lilith. »Also gut, wir sind in deiner Hand!«
Lilith nickte zufrieden. »Dann werde ich euch nun gefangennehmen lassen.«
Kierszan wollte abermals aufbegehren. Lilith hieß ihn mit einer Handbewegung, zu schweigen.
»Natürlich nur zum Schein«, fuhr sie fort. »Es gibt keine andere Möglichkeit für euch, im Palast zu bleiben. Früher oder später würde Anum euch entdecken. Für mich ist eure Gefangennahme ein weiterer Schritt, sein Vertrauen zu gewinnen.«
»Und dann?« fragte Kierszan mißtrauisch. »Du glaubst doch nicht, daß er uns ungeschoren davonkommen läßt!«
»Vertraut mir«, sagte Lilith. »Eine andere Möglichkeit habt ihr ohnehin nicht.«
Als hätte es dieses Stichwortes bedurft, öffnete sich die Tür ein weiteres Mal. Zwei bedrohlich aussehende Dienerkreaturen kamen herein. Sie waren von riesiger Statur, und ihre Augen funkelten blutrünstig, als warteten sie nur darauf, sich auf Lilith und Kierszan zu stürzen.
»Bringt sie sicheren Gewahrsam!« befahl Lilith. »Und zwar in getrennte Zellen!«
»Nein!« schrie Nona. »Du wirst uns nicht auseinanderbringen!« Sie durfte es nicht zulassen. Noch hatte sie keinen Grund, Lilith zu trauen. Wenn sie und Kierszan erst getrennt waren, war sie völlig machtlos. Nur Kierszan verfügte über die Macht, die Mauern der Festung zu durchdringen.
Niemand beachtete ihren Protest. Eine der Dienerkreaturen trat heran und faßte schmerzhaft ihren Arm. Kierszan wollte ihr zu Hilfe eilen, aber die zweite Kreatur stellte sich ihm in den Weg. Resigniert ließ Kierszan die Schultern sinken.
»Widerstand ist zwecklos«, sagte Lilith. »Versucht es lieber nicht. Es gibt genügend weitere von ihnen, und sie warten nur darauf, euch in Stücke zu reißen.«
Kierszan und Nona zweifelten nicht an ihren Worten. Lilith gab den Dienerkreaturen ein Zeichen, und die beiden wurden abgeführt.
*
Unsanft kam Kierszan auf dem Boden seiner Zelle auf. Er sah sich von einer alles umfassenden Finsternis umgeben.
Deja vu! Wieder einmal war er gefangen! Unwillkürlich dachte er an das Gefängnis zurück, in dem er zusammen mit
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