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Der Herr der zerstörten Seelen

Der Herr der zerstörten Seelen

Titel: Der Herr der zerstörten Seelen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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aufweist. Noch was, Marc: Wir haben keinen anderen – richtig?«
    Berg nickte.
    »Außerdem, PD? Was ist das schon? Nichts als ein Papier.«
    PD war die Abkürzung für ›persönliche Disposition‹. Das bedeutete: die Einsatzbereitschaft des Einzelnen an der Gesamtarbeit. Die PD wurde in einem komplizierten, sich über zwei Wochen erstreckenden psychologischen Test ausgelotet.
    »Entscheidend bleibt: Du kennst ihn. Du läßt ihn hier als deinen Sicherheitsmann arbeiten. Richtig?«
    »Richtig.«
    »Und was heißt das?« Marc Berg blinzelte nervös, ohne zu antworten.
    »Daß du für ihn einstehst, Marc. Nichts anderes. Und zwar mit allen Konsequenzen.«
    Berg nickte.
    »Na, dann holt ihn doch endlich.« Rocca trank seufzend den ersten Schluck Kaffee. Rister nahm das Haustelefon, um Tennhaff zu rufen.
    »Es ist immer der gleiche Scheiß in der Abteilung: zu wenig Leute, zu wenig geeignete, mein' ich«, sagte Rocca. »Klar, ich brauch' nur ›baff‹ zu sagen, und schon hab' ich dreitausend Bewerber … Aber was für welche? Idealismus, PD und sonstige Qualifikationen, okay – aber damit kommst du nicht weiter. Wir brauchen schon anderes Material. Profis sind aus speziellem Holz … Ehe ich abflog, habe ich mir die Tennhaff-Akte nochmals angesehen.«
    »Er hat gut gearbeitet, wirklich«, sagte Berg schnell.
    »Er hat euch den ganzen Laden hier aufgebaut. Was soll er da auf Kursen? Dazu kam er ja gar nicht. Ist es nicht so?«
    Berg nickte wieder.
    »Ja, dann haken wir das Thema endlich ab. Ich habe verdammt keine Zeit dafür.«
    Er hatte graues Haar, ziemlich dichtes graues Haar und Augen unter schweren Brauen mit einem sehr direkten, autoritätsgewohnten Blick. In alten Ufa-Filmen spielten solche Herren Reeder, Medizinprofessoren, Generäle oder Herrenreiter. Nie liefen sie ohne Krawatte herum, dezent getönte Krawatten, versteht sich. Auch Ernst Schmidt-Weimar hätte in einen solchen Film gepaßt.
    An diesem Morgen war seine Krawatte stahlblau und mit kleinen Türkis-Karos versehen. Die wiederum kontrastierten zu den dunkelgrauen Streifen seines Anzugs. Während sein Chefredakteur Lifestyle stets mit weiten Bundfaltenhosen und noch weiteren, dünnen pastellfarbenen Rollkragenpullis demonstrierte, bevorzugte Schmidt-Weimar Weste, Krawatte und solide, auf Hochglanz polierte Schuhe. »Form follows function «, hatte er einmal grinsend erklärt, als Do ihn mit seiner Traditionsverpackung aufzog.
    Was sich in Wirklichkeit hinter der konservativen Fassade des Verlegers verbarg, wußte Do seit jenem Abend, als Schmidt-Weimar versucht hatte, sie dort drüben in der Ecke auf die Ledercouch zu drücken. Schön, sie hatten beide ziemlich viel getrunken … »In diesem Laden, Do, sind wir die einzigen Menschen. Wir sind so was wie Inselbewohner …« Es war keine Entschuldigung gewesen, sondern Schmidt-Weimars Form einer Liebeserklärung.
    Jetzt stemmte sich der ›einzige andere Mensch in diesem Laden‹ aus seinem Schaukelstuhl am Fenster hoch, kam ihr entgegen und legte ihr beide Arme auf die Schultern. »Ich hab' Sie schon frischer gesehen, Do.«
    »Das hab' ich gerade auch von Herrn Engelmann gehört, Herr Doktor.«
    »War's so schlimm?«
    »Es geht.«
    »Wie ist das, läuft das Thema?«
    Sie zog die Unterlippe zwischen die Zähne. »Zum Glück ist es ja nicht so aktualitätsgebunden.«
    Insofern war Schmidt-Weimar ein guter Verleger, als er mit geradezu weiblicher Intuition stets Unrat witterte. Er reagierte sofort.
    »Und was heißt ›zum Glück‹?«
    Die Gratwanderung, nein, der Drahtseilakt konnte beginnen. Engelmann starrte Do von der Seite an. Zum Teufel damit, dachte sie. Was hast du noch zu verlieren? Dann dachte sie an das Telefonat von heute morgen, an die Autobahn – und schließlich an Tommi Reinecke. Er hatte recht: Sie war es gewesen, die in den letzten drei Jahren das Blatt hochgeknüppelt hatte. Ihre Porträts und Interviews hatten ›Heute‹ nicht nur in Deutschland, sondern auch international Anerkennung verschafft, so viel Anerkennung sogar, daß sich die Prominenz oder der Teil der Menschheit, der sich dafür hielt, darum riß, von ›der Folkert‹ interviewt zu werden … Härteste Arbeit war das gewesen. Mit Maultiersturheit hatte sie ihren Job gemacht, so verbissen, daß sie sich am Ende selbst aus den Augen und darüber hinaus auch noch ihre Tochter verloren hatte.
    Und genau damit ist jetzt Schluß!
    »Ich sprach gerade schon mit Dieter Engelmann darüber … Ich habe noch sechs Wochen Urlaub

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