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Der Herr der zerstörten Seelen

Der Herr der zerstörten Seelen

Titel: Der Herr der zerstörten Seelen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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hundertfünfzig meldete der Tacho. Der Mann war wahnsinnig!
    Wieder blickte sie zum Rückspiegel. Sie sah dunkle Schmutzstreifen, die sich von der Front des Kombis schräg nach unten zogen, sah den Halbkreis des Scheibenwischers, sah den Schatten dahinter …
    Und dann wurde das Steuerrad in ihren Händen plötzlich lebendig, wollte ausschlagen, als besitze es ein eigenes Leben. Das Brüllen des auf Hochtouren laufenden Motors erstickte das Kreischen des ersten Aufpralls.
    Tatsächlich, der versucht dich zu rammen! Und das mitten auf der Autobahn, mitten im Verkehr … Bei hundertfünfzig Stundenkilometer! Nun fällt er zurück … kommt wieder!
    Und da sah sie das Ausfahrtsschild. Sie sah es im letzten Augenblick, zusammen mit der Lücke, die sich bildete, als zwei Wagen der rechten Kolonne ausscherten. Ohne Warnzeichen, ohne den Richtungsanzeiger zu betätigen, zog Do den Frontera nach rechts, schnitt einen wild hupenden BMW, der schwere Wagen legte sich mit kreischenden Reifen zur Seite, aber sie erwischte die Ausfahrt noch, erwischte sie wenigstens mit dem rechten Räderpaar, während das linke Grasbüschel und Erdbrocken aus der Umfassung riß. Mit Mühe brachte Do das schlingernde, tonnenschwere Fahrzeug in Geradeausrichtung und suchte sich einen Platz am nächsten Bordstein, um den Frontera direkt unter einem Halteverbotschild zum Stehen zu bringen.
    Der Lieferwagen war verschwunden.
    Sie löste den Sicherheitsgurt und rang nach Luft. Sie spürte Tränen in den Augen und wurde wieder einmal zornig auf sich. Aber wieso sollte sie nicht losheulen? Der wollte dich doch … Der Scheißkerl war nichts anderes als ein Killer! Und es war ihm völlig egal, was passiert wäre, wenn du die Nerven verloren hättest … Nicht nur ein Killer – ein Kamikaze!
    Mein Gott, wer konnte ihn geschickt haben? Nannte sich das auch ›Gottes Welt‹? – Und die hatten Kati!
    Dos Hände zitterten. Einen Augenblick lang war ihr so übel, daß sie befürchtete, aussteigen zu müssen, um sich zu übergeben.
    Von der Autobahn kam das Jaulen eines Martinshorns. Do kuppelte ein und ließ den Wagen wieder anfahren. Hier unter dem Schild schnappt dich sonst noch die Polizei. Verrückt, verrückt waren sie alle geworden. Und jetzt hatte sie auch noch Engelmann und womöglich den Verleger zu ertragen …
    Was wirst du sagen? fragte Do sich.
    Kein Wort.
    Es war kurz nach elf, als Do die Eingangshalle des Verlages betrat. Der Himmel war hell, und durch die breite Glasfront fiel das Licht auf die großen weiß-grauen Marmorfliesen des Fußbodens. Sie fühlte sich mies. Schlimmer: Sie fühlte sich schwach. Sie ließ sich vom Aufzug in die Redaktion bringen.
    Helen Weiss, Engelmanns Sekretärin, winkte sie durchs Vorzimmer. »Die warten schon, Frau Folkert.«
    »Die?«
    »Ja. Vorhin war auch der Verleger da. Aber er mußte wieder weg. Gehen Sie nur rein –«
    Engelmann saß hinter seiner gewaltigen elfenbeinfarbigen Art-Déco-Kopie von Schreibtisch, hatte die Arme verschränkt, blickte Do entgegen und spielte Chefredakteur.
    Er besaß die einzige stets perfekt aufgeräumte Schreibtischplatte, die Do jemals in einer Redaktion erlebt hatte. Das schon hatte sie von Anfang an gegen Engelmann eingenommen. Gut, in diesem ovalen Eierkopf, den er mit einer läppisch-modernen blauen Designer-Brille aufzuwerten versuchte, wohnte ein brillanter Verstand. Engelmann war nicht nur ein glänzender Analytiker, er war auch ein hervorragender Kommentator – aber ein Zeitungsmann war er nicht, und im Umgang mit anderen, mit Mitarbeitern, Kollegen und Untergebenen, zeigte er sich als ein von Ehrgeiz zerfressenes Charakterschwein. Wahrlich, es wäre besser gewesen, man hätte ihm seinen verdammten Kitschschreibtisch in irgendeine Wohnung oder ein Häuschen im Grünen gestellt, damit er von dort seine Produkte per Fax in die Redaktion schicken konnte. Besser für ihn, besser für alle, dachte Do, aber aus irgendwelchen nur ihm bekannten Gründen hielt Verleger Schmidt-Weimar große Stücke auf seinen Chefredakteur.
    »Ich traue meinen Augen nicht. Da hätten wir Sie ja wieder … Auch noch in Lebensgröße. Ich hatte schon Angst, Sie wären in Ihren See gefallen.«
    Engelmann deutete auf den Besuchersessel: gleichfalls Art-Déco. Chrom und Creme. Do setzte sich.
    »Und ziemlich blaß um die Nasenspitze.« Engelmann lächelte, aber sein »Ob's denn in Israel so anstrengend gewesen sei?« lag noch unterhalb der üblichen Höflichkeitsfloskel-Stufe. Daß Reporterarbeit

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