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Der Herr der zerstörten Seelen

Der Herr der zerstörten Seelen

Titel: Der Herr der zerstörten Seelen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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gut, Herr Doktor.« Sie brachte die verlagsübliche ›Herr Doktor‹-Anrede mit so viel distanzierter Betonung vor, daß ihm klar sein mußte, wie ernst es ihr war. ›Entre nous ‹, darauf hatte er bestanden, nannten sie sich beim Vornamen.
    Dies aber war nicht ein Augenblick der Vertraulichkeiten. Schmidt-Weimar sollte es wissen.
    »Meine Recherchen sind auch in zwei Monaten noch brauchbar. Der Artikel und die Interviews, darüber waren wir uns ja im klaren, sollten ohnehin eine allgemeine Analyse der israelischen Situation vor der neuen Nahost-Konferenz liefern. Dieter Engelmann ist gleichfalls der Ansicht, der Bericht ließe sich schieben.«
    Engelmann verzog das Gesicht, als hätte Do ihm zwischen die Beine getreten. Na gut, dachte sie, jetzt bist du schon so weit gegangen, dann kann auch der Rest folgen. »Es ist nicht irgendeine Laune, wenn ich das vorbringe, Herr Doktor. Es sind familiäre Gründe … Leider sind sie so schwerwiegend, daß mir keine andere Wahl bleibt.«
    Sie starrten Do an. Ihr Schwung war weg. Sie spürte, wie dieses elende, klägliche Selbstmitleid in ihr hochsteigen wollte – und gleichzeitig der Zorn darüber. Der Zorn über sie selbst, die ganze beschissene Situation, verscheuchte jeden klaren Gedanken. »Tut mir leid«, hörte sie sich sagen.
    »War das alles?« Schmidt-Weimar steckte beide Hände in die Hosentaschen. Er musterte sie, als habe er es mit einem exotischen Insekt zu tun.
    »Ich kann im Moment nicht schreiben, Herr Doktor … Auch wenn ich wollte. Ich brauche diesen Urlaub.«
    »So?« Er drehte sich um, machte drei Schritte vor, drei zurück, blieb wieder stehen, musterte sie erneut, schüttelte den Kopf. »›Familiäre Probleme‹? Vielleicht versuchen Sie die Geschichte mal durch meine Brille zu sehen. Für mich gibt es in allen Situationen nur ein einziges Problem: die Konkurrenz. Persönlich habe ich für alles Verständnis. Und ich bin auch, das wissen Sie, zu jeder Hilfeleistung bereit. Beruflich aber, und das muß ich Ihnen sagen, beruflich bleibt mir gar nichts anderes übrig, als einen anderen Standpunkt einzunehmen. Und zwar radikal, Dorothea! Jedem gegenüber. Auch Ihnen.«
    Sie schwieg.
    Durch die Wände drang von fern das feine Summen der Rotationsmaschinen. Do glaubte, das Vibrieren unter ihren Füßen zu spüren.
    »Ja dann«, sagte sie, zuckte mit den Schultern, drehte sich um – und ging die ersten Schritte zur Tür. Sie kannte Engelmann. Sie kannte die Redaktion. Die Sensation vom beruflichen Selbstmord der Folkert würde in Kürze durch alle Büros laufen.
    »Einen Augenblick, Do …« Schmidt-Weimar lehnte an seinem Schreibtisch, hatte die Beine übereinandergeschlagen und beide Hände auf die Schreibtischplatte gestützt. Auf seiner Stirn brannte ein einziger roter Fleck. »Was ist das denn für ein Abgang? Soll ich beeindruckt sein?«
    Sie schwieg.
    »Zumindest ist er voreilig. Ich habe nämlich auch noch eine Eröffnung. Sie ist persönlicher, sehr persönlicher Art … Deshalb, Engelmann, möchte ich Sie bitten, uns allein zu lassen. Also, Do, seien Sie vernünftig, kommen Sie her und setzen Sie sich!«
    Der Abwasch war auch noch zu erledigen. Aber das schaffte sie in fünf Minuten. Es wurde ja nicht mehr ordentlich gekocht, nicht mehr gegessen – es hatte sich alles geändert im Haus.
    Hanne Moser setzte sich seufzend auf den Küchenstuhl. Zeit für den Kaffee. Und ihre Tabletten … »Immer schön pünktlich«, sagte Dr. Pachmayer. »Dann lebt es sich mit der Diabetes so gut, als hätten Sie sie gar nicht.«
    Ein Wasserhahn tropfte. Das störte Hanne nicht. Das alte Kupfergeschirr an den Wänden leuchtete, und der Raum hellte sich auf. Draußen kämpfte sich die Sonne durch.
    Hanne goß sich eine Tasse voll und genoß die friedliche Stimmung. Sie steckte die Pillen in den Mund und spülte mit Kaffee nach. Dabei legte sie den Kopf etwas zurück. Vielleicht hätte sie so die beiden Männer oben am Hang bei den Jungtannen erkennen können, vielleicht hätte sie sie in ihren engsitzenden dunkelblauen Overalls für Arbeiter gehalten, Arbeiter, die wegen der Kälte, so wie die Skifahrer, auch noch haubenartige Gesichtsmasken trugen. Dabei war's gar nicht so kalt … Vielleicht hätte Hanne Moser die Maskierung dann doch nicht verstanden. Aber sie sah es nicht. Sie verstand auch nichts. Und vielleicht war dieses totale Nicht-begreifen die einzige Gnade, die ihr noch blieb …
    Die vordere der beiden schattenhaften Gestalten kauerte sich hinter

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