Der Herr des Traumreichs
sah Egalion fest an.
Der wußte plötzlich genau, was er zu tun hatte. Sein Blick huschte zu Cavor und wieder zurück zu Maximilian.
»Vielleicht solltet Ihr Euer Anliegen vortragen«, sagte er dann zu dem Prinzen. Cavor zuckte empört zusammen. Das war Insubordination!
»Ich hatte befohlen…«, begann er wütend. Seine Stimme klang heiser vor Zorn. Aber Maximilian unterbrach ihn.
»Mein Anliegen?« Er hob den Kopf. Alle Augen waren auf ihn gerichtet, alle lauschten ihm. Das ganze Geviert schien den Atem anzuhalten. Er sah Cavor fest in die Augen. »Ich bin Maximilian Persimius, Prinz von Escator… und der rechtmäßige König.«
Seine Stimme klang klar und sicher. Ein erschrockenes Aufatmen ging über den Platz.
»Mein Anliegen?« wiederholte Maximilian und zog spöttisch eine Augenbraue in die Höhe. Zwei vermummte Gestalten lösten sich leise aus der Menge und stellten sich hinter ihn.
»Ich will Euch den Thron streitig machen, Cavor. Ich beschuldige Euch, mich entführt und widerrechtlich gefangen gehalten zu haben. Ich werfe Euch vor, den Thron unter falschen Voraussetzungen gefordert und bestiegen zu haben.«
Er hielt inne. »Werdet Ihr abdanken, Cavor? Werdet Ihr aufgeben, was Ihr Euch mit betrügerischen Mitteln erschlichen habt?«
Garth, der Maximilian und Cavor vom Richtblock aus genau beobachten konnte, mußte den König unwillkürlich bewundern.
Cavor lehnte sich im Sattel zurück und lachte laut und herzlich. Es klang vollkommen echt. »Ich soll also zugunsten eines Möchtegernprinzen abdanken? Eure Entschlossenheit verdient Anerkennung, aber Euer Sinn für Gerechtigkeit und Wahrheit ist bedauerlich schwach entwickelt.« Wieder stellte er sich in die Steigbügel und wandte sich der Menge zu. Garth spürte, daß die Spannung kurz vor dem Siedepunkt stand, der nächste Aufschrei konnte in der Menge einen Aufruhr entfesseln, der nicht mehr zu bändigen wäre.
Gegen wen er sich richten würde, konnte er allerdings nicht erkennen.
»Hört mich an!« rief Cavor mit ebenso klarer, sicherer Stimme wie vorher der Prinz. »Hier steht ein Mann, der von sich behauptet, Maximilian Persimius zu sein, der Sohn des verstorbenen Königs und seiner Gemahlin.
Seht, er hat sogar das schwarze Haar, die blauen Augen eines Persimius. Aber, geliebte Untertanen« – jetzt klang Cavors Stimme unsagbar traurig –, »die Wahrheit sieht leider anders aus. Die tote Königin, die Götter mögen ihr gnädig sein, war eine schwache Frau. Sie konnte keinen Erben gebären. Die einzige Leibesfrucht, die jemals ihrem Schoß entglitt, war bereits tot. In heller Verzweiflung – was sonst hätte sie zu solch einer Tat bewegen können? – tauschte sie das tote Kind gegen den neugeborenen Sohn eines Schmieds, der trotz seiner niedrigen Herkunft die edlen Züge und die richtige Haar-und Augenfarbe hatte, um selbst die schärfsten Beobachter zu täuschen. Dann…«
»Ich bin von ehelicher Geburt und von reinem Geblüt, Cavor«, rief Maximilian, »und diese guten Leute brauchen sich Eure Lügen nicht noch länger anzuhören! Laßt die Götter entscheiden! Was ist, nehmt Ihr meine Forderung an?«
Garth sah, daß Cavors Worte viele in der Menge beeindruckt hatten, aber Maximilian in seiner Waldhütertracht stand stolz und aufrecht da. Kein Zweifel spiegelte sich in seinem Gesicht
– und wer wollte diesen Zügen ihre edle Herkunft absprechen?
Cavor löste den Blick von der Menge. »Ein Zweikampf auf Leben und Tod, Thronräuber? Ist das Euer Begehr?«
Maximilian lächelte kalt. »Ich fürchte Euch nicht, Cavor.«
»Eines solltet Ihr wissen, Cavor.« Einer der Vermummten hinter Maximilian schlug seinen Mantel zurück. »Der Persimius-Orden steht in dieser Sache auf seiten Maximilians.«
Cavor war so verblüfft, daß er fauchte wie eine Katze. Vor ihm stand Vorstus, angetan als Abt des Persimius-Ordens.
Dann höhnte der König: »Was hat Euch der Thronräuber geboten, Vorstus, daß Ihr die Wahrheit so bereitwillig verratet?
Ihr habt einst meine Forderung unterstützt, Ihr habt meinen Arm gezeichnet. Warum stellt Ihr Euch jetzt gegen mich?«
»Weil Maximilian Persimius lebendig begraben war und wiederauferstanden ist, Cavor, und weil ich im Gegensatz zu den guten Leuten hier auf dem Geviert sehr genau weiß, wer für sein grausames Schicksal verantwortlich ist!«
Cavor starrte Vorstus drohend an, dann heftete sich sein Blick auf Maximilian. »Kommt und stellt Euch, Thronräuber«, sagte er sehr leise, aber so deutlich,
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