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Der Herr des Traumreichs

Der Herr des Traumreichs

Titel: Der Herr des Traumreichs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Douglass
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Stollendecke, die sich nur eine Handspanne über seinem Kopf befand. »Das ist das Hangende.«
    »Aha«, sagte Garth unbeholfen. Wie viele tausend Tonnen Fels mochten in diesem Moment über seinem Kopf lasten?
    Und wie viele Tonnen Seewasser?
    Der Stollen verengte sich, und das Hangende senkte sich mit jedem Schritt tiefer herab. Auf dem Boden waren Glommhäufchen verstreut. Bald mußten Garth und die Wärter Köpfe und Schultern einziehen, bisweilen konnten sie sich nur seitlich durch die Engstellen zwängen.
    »Warum so schmal?« keuchte Garth.
    »Sie brauchen nicht breiter zu sein«, gab Jack zurück. »Ein Mann mit Hacke und Schaufel kommt durch, und das genügt.«
    »Aber wie schaffen sie das Glomm an die Oberfläche?«
    Mußten sie es etwa mit bloßen Händen durch diese schmalen Stollen tragen? Garth sah keine andere Möglichkeit.

    »Weiter hinten gibt es noch einen Schacht. Auch ziemlich schmal, aber groß genug für die Glommkörbe. Von dort wird das Zeug nach oben gehievt.«
    Garth zitterte. Er konnte in dieser Enge, so dicht unter dem Hangenden kaum noch atmen. Wenn es nun noch ein Unglück gäbe? Wie sollte er sich retten? Die Finsternis bedrängte ihn, die Schwüle drohte ihn zu ersticken, und der Gestank war unerträglich. Seine Lungen schrien nach Luft, dennoch wagte er nur flach zu atmen.
    Wie kann ein Mensch sein ganzes Leben hier unten verbringen?
    »Da vorn!« rief einer der Wärter vor ihm heiser. Garth fuhr überrascht zusammen. Es war seit längerem still gewesen, und die wenigen Worte hatten ihn aus seinen trüben Gedanken gerissen. Da vorn?
    »Sohle zweihundertfünf«, erklärte Jack, und Garth blinzelte.
    Sohle zweihundertfünf? Ach ja, da befanden sich einige von den verletzten Gefangenen. Eine Ewigkeit schien vergangen, seit er mit seinem Vater in diese Hölle eingefahren war.
    Dann stolperte er und wäre gestürzt, hätte Jack ihn nicht am Arm gepackt und festgehalten. Vor seinen Füßen führte eine Stufe nach unten in eine Höhle, die nicht größer war als die Küche zu Hause – aber Garth war so lange durch die engen Stollen gekrochen, daß sie ihm so geräumig und freundlich erschien wie ein Bankettsaal.
    Er sprang hinab. Seine Knie waren so steif, daß er wieder fast gefallen wäre. Dann sah er sich um. Hier brannten mehrere Fackeln und sorgten für eine geradezu verschwenderische Helligkeit.
    Genau gegenüber führte der Stollen weiter in die Erde hinein, aber links von ihm kauerte eine Gruppe von neun Männern –
    die Kolonne, über der ein kleiner Teil des Hangenden eingebrochen war. Alle waren gefesselt und sahen ihm gleichgültig oder mit kaum verhohlener Feindseligkeit entgegen. Wer war das? Wieso störte er sie in ihrem langen Todeskampf?
    Die beiden Wärter, die bis zum Eintreffen der Helfer Wache gestanden hatten, begrüßten ihre Kameraden überlaut.
    Die Gefangenen blieben stumm.
    »Nun mach schon!« brummte Jack von hinten. Wieder zuckte Garth zusammen. Dann nahm er seine Tasche etwas fester in die Hand und ging langsam auf die Kolonne zu.
    Ihr Götter, was waren diese Männer schmutzig!
    Unwillkürlich huschte ein Ausdruck des Abscheus über Garths Gesicht. Der Sträfling, der ihm am nächsten war, bemerkte es und grinste höhnisch.
    »Hätte ich gewußt, daß uns ein so hübscher Junge besucht, dann hätte ich mich gewaschen und frisch angezogen.«
    »Das reicht!« blaffte Jack. Garth spürte, wie er hinter ihm das Schwert hob, und sah sich um.
    »Das wird nicht nötig sein«, sagte er. Jack ließ das Schwert langsam sinken.
    »Laß dir nichts gefallen, Junge«, sagte er. »Die können von Glück reden, daß du überhaupt hier bist.«
    »Wir könnten von Glück reden, wenn wir alle tot im Meer lägen«, murmelte der Gefangene, aber so leise, daß nur Garth es hören konnte.
    Er kauerte sich neben dem Mann nieder. »Seid Ihr verletzt?«
    Der Sträfling wollte wieder dieses höhnische Grinsen aufsetzen, aber dann verließ ihn der Mut, und er zeigte auf sein Knie. »Ein Felsbrocken hat mich erwischt.«
    Garth bat mit einer Handbewegung um mehr Licht. Ein Wärter klemmte seine Fackel über seinem Kopf in einen Schlitz in der Felswand und zog sich zurück. Garth beugte sich tiefer über den Sträfling. Er mußte sich beherrschen, um nicht aufzukeuchen. Der Felsblock hatte das Knie übel zugerichtet.
    Unglaublich, daß der Mann so ruhig dasaß, ohne zu wimmern.
    Garth hatte noch nicht begriffen, daß der Schmerz hier in den Adern ein selbstverständlicher Teil des Lebens

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