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Der Herr des Traumreichs

Der Herr des Traumreichs

Titel: Der Herr des Traumreichs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Douglass
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»Was ist?«
    Garth warf unwillkürlich einen Blick über die Schulter. Aber die Wärter waren immer noch in ihr Würfelspiel vertieft und achteten nicht auf ihn. Er wollte etwas sagen, schloß aber den Mund gleich wieder. Irgend etwas warnte ihn. Es könnte tödlich sein, in alle Welt hinauszuschreien, daß dieser Mann…
    »Maximilian«, flüsterte er und zwang sich, dem Sträfling in die Augen zu sehen.
    Der zeigte ihm halb lächelnd, halb fauchend, die Zähne. »Ich bin Sträfling Nummer achthundertneunundfünfzig. Ich habe keinen Namen.«
    Garths Hände zitterten womöglich noch stärker. Joseph hatte ihm erzählt, bei seiner Ankunft in den Adern bekomme jeder Gefangene eine Nummer zugeteilt. Sein Name und alle Angaben über sein früheres Leben würden aus den Registern gestrichen.
    »Maximilian«, wiederholte Garth etwas lauter, aber immer noch im Flüsterton.
    »Versorgt meine Wunde«, zischte der Sträfling. Seine Feindseligkeit war mit Händen zu greifen. »Und dann laßt mich in Ruhe. Hat Euch die Finsternis um den Verstand gebracht?«
    Garth umfaßte den Oberarm fester. »Ich spüre es. Man hatte Euch den Manteceros in den Arm geritzt – und dann hat jemand versucht, das Mal gewaltsam wieder auszubrennen.«
    In den Augen des Sträflings flackerte etwas auf und erlosch wieder, bevor Garth Zeit hatte, den Ausdruck zu deuten.
    »Stimmt was nicht?« rief Jack und erhob sich aus dem Kreis der Wärter. »Ist er vielleicht unverschämt geworden?«
    »Nein!« rief Garth hastig zurück. »Nein. Ich bin nur müde und wollte mich einen Moment ausruhen, bevor ich die Wunde nähe.«
    »Mach voran!« grollte Jack. »Du hast noch drei weitere Kolonnen zu versorgen.«
    Noch drei Kolonnen? Garth brach fast zusammen, als er das hörte. Doch dann lehnte er sich überrascht zurück. Aus den Augen des Mannes – aus Maximilians Augen – strahlte ihm fast so etwas wie Mitgefühl entgegen.
    »Näht meine Wunde und dann geht, mein Junge«, sagte er leise. »Es gibt noch andere, die Eure Hilfe brauchen.«
    »Ich heiße Garth.«
    »Ich will Euren Namen nicht wissen«, stieß der Mann hervor.
    Seine Feindseligkeit war schlagartig zurückgekehrt. »Ich werde Euch doch nie wiedersehen. Flickt mich zusammen und verschwindet.«
    »Garth«, wiederholte Garth unbeirrt. »Garth Baxtor. Joseph Baxtors Sohn.«
    Wieder glomm tief in den Augen des Mannes ein Funke auf, aber er wandte sich nur schweigend ab.
    Endlich nahm Garth die Hände von der alten Narbe.
    Irgendwo darunter drängte der Manteceros ans Licht. Der Junge griff nach Nadel und Faden, um die Fleischwunde zu schließen. Wenn der Mann die schwere Verbrennung überstanden hatte, würde er auch das überleben.
    Bei der Sonne über uns, schoß es ihm jäh durch den Sinn, und seine Finger stockten. Wie lange ist er eigentlich schon hier unten?
    Garth spürte, wie sich der Arm des Verletzten verkrampfte, und beeilte sich, die Naht zu beenden. Als der letzte Knoten geknüpft war, legte er dem Mann noch einmal die Hand auf die Schulter. »Was habt Ihr unter dem Hangenden zu suchen, Maximilian? Euer Platz ist doch über Tage!«
    Wieder sah ihn der Sträfling an. Unter der Schmutzschicht war der Blick der blauen Augen von geradezu hypnotischer Kraft. »Eure ›Hände‹ haben Euch das Gehirn vernebelt, Junge«, knurrte er. »Über Tage gibt es nichts. Nichts!«
    »Ich…«, begann Garth, aber der Sträfling faßte nach seiner Hand und fuhr fort.
    »Es gibt nichts über dem Hangenden. Keine Hoffnung, keine Freude. Kein anderes Leben, als es mir hier vergönnt ist.«
    Die letzten Worte und die Ablehnung, die aus Maximilians Hand in ihn einströmte, trafen Garth wie ein Peitschenschlag.
    »Über mir gibt es nur Finsternis. Hinter mir gibt es nur Finsternis. Vor mir gibt es nur Finsternis. Mein Leben ist Glomm und Schmerz und immer noch mehr Glomm vermischt mit immer noch mehr Schmerz.«
    Er hielt inne, und als er weitersprach, hörte und – schlimmer noch – spürte Garth seine abgrundtiefe Verzweiflung. »Es gibt da draußen keine Welt. Früher glaubte ich das einmal. Aber jetzt nicht mehr.« Er hielt inne und wiederholte flüsternd:
    »Nicht mehr.«
    Garth ließ sich nicht beirren. »Ihr seid Maximilian, der rechtmäßige König von Escator.«
    Wieder dieses höhnische, zähnefletschende Grinsen. »Ich bin Sträfling Nummer achthundertneunundfünfzig. Das war ich immer, und das werde ich immer bleiben. Und jetzt geht!« Er stieß Garth von sich. »Geht!«
    Irgendwie brachte Garth auch

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