Der Herr ist kein Hirte - Wie Religion die Welt vergiftet
Vagina wird ganz zugenäht, wobei nur eine kleine Öffnung für Blut und Urin bleibt. Das Ziel ist klar: Der Sexualinstinkt soll abgetötet oder betäubt, die Versuchung, mit einem anderen Mann zu experimentieren als dem erwählten, geschmälert werden; dem Ehemann kommt dann das Privileg zu, die Nähte in der gefürchteten Hochzeitsnacht zu durchstoßen. Bis dahin wird dem Mädchen beigebracht, dass die monatliche Heimsuchung durch die Blutung ein Fluch und ihr Körper unrein ist. (Irgendwann hat noch jede Religion ihre Abscheu vor der Menstruation zum Ausdruck gebracht, und viele Religionen verbieten bis heute Frauen in dieser Zeit den Besuch des Gottesdienstes.)
Andere Kulturen, besonders die jüdisch-christlichen, betreiben beharrlich die Verstümmelung kleiner Jungen – kleine Mädchen können, aus welchem Grund auch immer, ohne Veränderung ihrer Genitalien Jüdinnen sein: Nach einer durchgängigen Linie sucht man vergebens in den Bündnissen, die die Menschen mit Gott geschlossen haben wollen. Für die Beschneidung von Jungen gab es ursprünglich wohl zwei Motive. Das Blut, das bei der Beschneidungszeremonie vergossen wird, ist sehr wahrscheinlich ein symbolisches Überbleibsel aus der Zeit der Tier- und Menschenopfer, die in der blutgetränkten Landschaft des Alten Testaments noch so eine große Rolle spielten. Indem sie an diesem Brauch festhielten, konnten die Eltern einen Teil ihres Säuglings stellvertretend für das ganze Kind opfern. Dem Einwand, dass Gott den menschlichen Penis doch sicher mit großer Sorgfalt geschaffen haben muss, stand das erfundene Dogma gegenüber, nach dem Adam beschnitten und nach Gottes Bilde zur Welt kam. Einigen Rabbinern zufolge war auch Mose bei der Geburt bereits beschnitten, eine Behauptung, die sie allein aus dem Umstand herleiten, dass seine Beschneidung im Pentateuch nirgends erwähnt wird.
Das zweite Motiv entsprach dem für die Beschneidung von Mädchen: den Betroffenen möglichst weitgehend die Freude am Geschlechtsverkehr zu nehmen. Maimonides formuliert das in seinem Führer der Unschlüssigen recht eindeutig. Er weist darauf hin, dass die Beschneidung nicht etwas physisch Unzureichendes perfektioniere, sondern diese Aufgabe im moralischen Bereich übernehme, indem sie die Erregbarkeit und die Lust am Geschlechtsakt herabsetze.
Das Versprechen Gottes an Abraham im 1. Buch Mose, Kapitel 17, die Beschneidung werde dazu führen, dass er auch im Alter von neunundneunzig Jahren noch eine große Nachkommenschaft zeugen werde, machte auf Maimonides offenbar keinen großen Eindruck. Abrahams Entscheidung, neben allen männlichen Haushaltsmitgliedern auch die Sklaven zu beschneiden, war ein Randphänomen, vielleicht auch dem Enthusiasmus geschuldet, denn diese Nichtjuden waren nicht Bestandteil des Bundes mit Gott. Jedenfalls beschnitt er seinen damals dreizehnjährigen Sohn Ismael. Doch während sich Ismael nur von seiner Vorhaut trennen musste, wurde sein jüngerer Bruder Isaak, der in Genesis 22 seltsamerweise als Abrahams einziger Sohn bezeichnet wird, zwar im Alter von acht Tagen beschnitten, sollte später Gott aber trotzdem vom Scheitel bis zur Sohle als Opfer dargeboten werden.
Maimonides zufolge diente die Beschneidung außerdem der Stärkung der ethnischen Solidarität. Besonders wichtig war ihm, dass die Operation am Säugling durchgeführt wurde und nicht erst ein paar Jahre später. Ältere Kinder würden die Operation vielleicht nicht mehr über sich ergehen lassen und hätten darüber hinaus größere Schmerzen als der Säugling, so Maimonides. Auch den Eltern falle es so kurz nach der Geburt leichter. Vor allem der Vater, der ja für die Beschneidung verantwortlich sei, entwickle in den ersten Lebensjahren eine immer engere Bindung zu seinem Sohn, die es ihm erschweren würde, die Operation später noch durchführen zu lassen. [FUSSNOTE58]
Maimonides ist sich also sehr wohl dessen bewusst, dass der Eingriff, wäre er nicht von Gott angeordnet, selbst bei den frömmsten Eltern einen natürlichen Widerwillen zugunsten des Kindes auslösen würde. Doch um des »göttlichen« Gesetzes willen unterdrückt er diese Einsicht.
Seit einigen Jahren werden auch pseudosäkulare Argumente für die Beschneidung des Mannes ins Feld geführt. Der Eingriff sei hygienischer für die Männer und somit gesünder für deren Frauen, die beispielsweise seltener an Gebärmutterhalskrebs erkrankten. Die Medizin hat diese Behauptungen widerlegt beziehungsweise nachgewiesen,
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