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Der Herr ist kein Hirte - Wie Religion die Welt vergiftet

Der Herr ist kein Hirte - Wie Religion die Welt vergiftet

Titel: Der Herr ist kein Hirte - Wie Religion die Welt vergiftet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Hitchens
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einfach nur abstoßend und zerstörerisch.
    Auch lässt sich gar nicht ermessen, welcher Schaden von schmuddeligen alten Männern und hysterischen Jungfern angerichtet wurde, die sich als geistliche Hüter unschuldiger Kinder in Waisenhäusern und Schulen aufgespielt haben. Insbesondere der römisch- katholischen Kirche kommt hier die überaus schmerzliche Aufgabe zu, den Geldwert eines Kindesmissbrauchs für einen Schadensersatzprozess zu bemessen. Milliarden von Dollar wurden den Opfern bereits zugesprochen, doch wie soll man einen Gegenwert festlegen für die Generationen von Jungen und Mädchen, die von Menschen, denen sie und ihre Eltern vertrauten, auf die abscheulichste Art an die Sexualität herangeführt wurden? Das Wort Kindesmissbrauch ist in Wahrheit ein dümmlicher und erbärmlicher Euphemismus für die wahren Vorgänge: die systematische Vergewaltigung und Folterung von Kindern mit Wissen und Unterstützung einer Hierarchie, die sodann die schlimmsten Täter mittels einer Versetzung in einer anderen Gemeinde in Sicherheit brachte. Angesichts dessen, was in jüngster Zeit in modernen Großstädten ans Licht gekommen ist, schaudert es einen bei dem Gedanken, was wohl in den Jahrhunderten vor sich ging, als die Kirche noch über jede Kritik erhaben war. Aber was hatte man auch anderes erwartet, wenn man die Schwächsten in die Obhut von Menschen gab, die, ihrerseits Außenseiter und nicht selten homosexuell, ein scheinheiliges Zölibat schwören mussten? Und die gelehrt wurden, mit ihrem Glaubensbekenntnis gebetsmühlenartig zu wiederholen, dass Kinder Auswüchse des Satans sind? Die daraus erwachsende Frustration drückte sich bisweilen in exzessiver körperlicher Züchtigung aus, die für sich genommen schon schlimm genug ist. Doch wenn, wie geschehen, die künstliche Selbstbeherrschung zusammenbricht, führt das zu einem Verhalten, das kein masturbierender, hurender Durchschnittssünder auch nur in Betracht ziehen würde, ohne dass es ihn vor sich selbst grauste. Wir haben es hier nicht mit einigen wenigen Delinquenten unter den Schäfern zu tun, sondern mit dem Ergebnis einer Ideologie, die dem Klerus die Macht zu sichern suchte, indem sie sich die Kontrolle über den Sexualinstinkt, ja über die Sexualorgane der Menschen anmaßte. Wie der Rest der Religion hat auch dieser Aspekt seinen Platz in der angstgeschüttelten Kindheit unserer Spezies. Auf Iwans Frage, ob er Baumeister eines solchen Gebäudes sein wolle, antwortet Aljoscha leise: »Nein, ich würde es nicht wollen«. Angefangen beim Angebot, den schutzlosen jungen Isaak auf dem Scheiterhaufen zu opfern, bis hin zu den Missbräuchen und Repressionen heutiger Tage, muss auch unsere Antwort Nein lauten, wenn auch deutlich vernehmlicher.

Kapitel siebzehn:

Einen Widerspruch vorweggenommen:
Der letzte verzweifelte Einwand gegen den Säkularismus

Womöglich kann ich nicht abschließend beweisen, dass der Nutzen der Religion der Vergangenheit angehört, dass die ihr zugrunde liegenden Schriften fadenscheinige Erfindungen sind und sie selbst von Menschen gemacht wurde, dass sie Wissenschaft und Forschung feindlich gegenübersteht, dass sie überwiegend auf Lügen und Ängsten aufbaut und gemeinsame Sache gemacht hat mit Ignoranz und Schuld, mit Sklaverei, Völkermord, Rassismus und Tyrannei. Fest steht aber, dass sie sich heute all dieser Kritikpunkte bewusst ist. Sie kennt darüber hinaus den stetig anwachsenden Berg von Beweisen für den Ursprung des Universums und die Entstehung der Arten, der sie in die Marginalität, wenn nicht gar in die völlige Belanglosigkeit drängt. Mit den meisten Einwänden von Glaubensseite habe ich mich befasst, doch auf ein unvermeidbares Gegenargument muss ich noch eingehen.
    Von der Inquisition und den Hexenprozessen, den Kreuzzügen, den islamischen Eroberungen und den Gräueln des Alten Testaments war Schlimmstes zu berichten. Doch haben nicht säkulare und atheistische Regime Verbrechen und Massaker begangen, die im Vergleich dazu mindestens genauso furchtbar, wenn nicht noch schrecklicher waren? Und ist daraus nicht der logische Schluss zu ziehen, dass Menschen, die von religiöser Ehrfurcht befreit sind, zu extrem lasterhaftem und ungezügeltem Verhalten neigen? In seinem Roman Die Brüder Karamasow hinterfragte Dostojewski die Religion äußerst kritisch – er lebte ja unter einer von der Kirche geheiligten Tyrannei – und zeichnet seine Figur Smerdjakow als eitlen, gutgläubigen und dummen Menschen. Doch

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