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Der Herr ist kein Hirte - Wie Religion die Welt vergiftet

Der Herr ist kein Hirte - Wie Religion die Welt vergiftet

Titel: Der Herr ist kein Hirte - Wie Religion die Welt vergiftet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Hitchens
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Sitzungsunterbrechung, damit sie zum Sterben heimkehren konnten. Der Sitzungsleiter Abraham Davenport jedoch bewahrte Nerven und Würde. »Gentlemen«, sagte er »der Jüngste Tag ist da, oder er ist nicht da. Wenn er nicht da ist' so gibt es keinen Anlass zur Aufregung und zum Wehklagen. Wenn er da ist, wünsche ich jedoch, in Ausübung meiner Pflicht vorgefunden zu werden. Ich beantrage daher, dass Kerzen beschafft werden.« In seiner beschränkten und abergläubischen Zeit konnte Mister Davenport nicht mehr tun als das. Dennoch unterstütze ich seinen Antrag.

Kapitel fünf:

Die metaphysischen Behauptungen der Religion sind falsch

»Ich bin ein Mann der einen Schrift.«
    Thomas von Aquin

    »Nimm hin, Herr, und empfange meine ganze Freiheit, mein Gedächtnis, meinen Verstand und meinen ganzen Willen.«
    Ignatius von Loyola

    »Die höchste Hur, die der Teufel hat.«
    Martin Luther über die Vernunft

    Looking up at the stars, I know quite well
    That for all they care, I can go to hell.
    W. H. Auden, »The More Loving One«

    Der imposante Glaube eines Thomas von Aquin und eines Maimonides – nicht zu verwechseln mit dem blinden Glauben der absolutistischen Gruppierungen und Endzeitsekten, die ständig und offenbar unerschöpflich aus dem Boden schießen – gehört, wie bereits erwähnt, endgültig der Vergangenheit an. Dafür gibt es einen einfachen Grund. Diese Art Glaube, der der Vernunft in der direkten Konfrontation zumindest eine Zeit lang die Stirn bieten kann, ist heute schlicht unmöglich. Die frühen Väter des Glaubens – die dafür sorgten, dass es keine Mütter geben sollte – lebten in einer Zeit bodenloser Unwissenheit und Angst. Maimonides nahm die seiner Ansicht nach unwürdigen Völker, die »türkischen«, schwarzen und nomadischen, die er mit sprachlosen Tieren verglich, gar nicht erst in seinen Führer der Unschlüssigen auf. Thomas von Aquin neigte der Astrologie zu und war überzeugt, dass der voll ausgebildete Nukleus eines Menschen – nicht, dass er das Wort so gebrauchte wie wir heutzutage – in jeder einzelnen Samenzelle enthalten ist. Wie viele schauderhafte und dumme Belehrungen zur sexuellen Enthaltsamkeit wären den Menschen erspart geblieben, wenn dieser Unsinn früher als solcher entlarvt worden wäre. Augustinus war ein egozentrischer Fanatiker und geozentrischer Ignorant: Vor Schuldkomplexen nur so strotzend, war er überzeugt, dass sich Gott für seinen trivialen Birnendiebstahl in irgendwelchen Obstgärten interessierte, und er glaubte – wohl aus dem gleichen Solipsismus heraus –, dass die Sonne um die Erde wandert. Von Augustinus stammt auch die abwegige und grausame Idee, dass die Seelen ungetaufter Kinder im Limbus infantium, der Vorhölle für Kinder, landen. Das geballte Elend, das diese kranke »Theorie« im Lauf der Jahrhunderte Millionen katholischer Eltern auferlegte, bis die Kirche unserer Zeit sie kleinlaut revidierte, lässt sich kaum ermessen. Luther hatte furchtbare Angst vor Dämonen und hielt geistig Kranke für ein Werk des Teufels. Und ebenso wie Jesus soll auch Mohammed seinen eigenen Anhängern zufolge geglaubt haben, dass es in der Wüste vor Dschinns und bösen Geistern nur so wimmelt.
    Man muss es ganz deutlich sagen: Die Religion entstammt der menschlichen Vorgeschichte, in der niemand – nicht einmal der mächtige Demokrit, der zu dem Schluss gelangte, dass alle Materie aus Atomen besteht – auch nur den Hauch einer Ahnung davon hatte, was passierte. Sie kommt aus der lärmenden und verängstigten Kindheit unserer Spezies und entspringt dem infantilen Versuch, unseren Drang nach Wissen und kindliche Bedürfnisse wie das nach Trost und Bestätigung zu stillen. Heute weiß schon das jüngste meiner Kinder mehr über die natürliche Ordnung als irgendein Religionsgründer, und vielleicht haben sie deshalb auch – dieser Zusammenhang lässt sich allerdings nicht einwandfrei nachweisen – so wenig Interesse daran, ihre Mitmenschen in die Hölle zu schicken.
    Alle Versuche, den Glauben mit Wissenschaft und Vernunft zu versöhnen, sind aus ebendiesem Grunde der Lächerlichkeit preisgegeben und zum Scheitern verurteilt. Ich lese zum Beispiel in der Zeitung von einer ökumenischen Konferenz, auf der die veranstaltenden Christen ihre Toleranz unter Beweis stellen wollen, indem sie Physiker einladen. Dabei komme ich nicht umhin, mir in den Sinn zu rufen, dass es überhaupt keine Kirchen gäbe, wenn die Menschen nicht Angst vor Wetterereignissen, der

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