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Der Herr ist kein Hirte - Wie Religion die Welt vergiftet

Der Herr ist kein Hirte - Wie Religion die Welt vergiftet

Titel: Der Herr ist kein Hirte - Wie Religion die Welt vergiftet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Hitchens
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kasteit.
    Im Jahr 2005 untersuchte ein Forscherteam an der University of Chicago zwei Gene, die als Mikrozephalin und ASPM bekannt sind und bei einem Defekt Mikrozephalie auslösen. [FUSSNOTE24]

    Kinder, die mit dieser Störung zur Welt kommen, haben ein zu kleines Gehirn – sehr wahrscheinlich ein Relikt aus der Zeit, in der das menschliche Gehirn noch viel kleiner war als heute. Die Evolution des Menschen gilt im Allgemeinen als seit fünfzig- bis sechzigtausend Jahren abgeschlossen (ein kurzer Moment nach evolutionären Maßstäben), diese beiden Gene aber haben sich offenbar in den vergangenen siebenunddreißigtausend Jahren schneller entwickelt, was vermuten lässt, dass die Entwicklung des menschlichen Gehirns noch im Gange ist. Im März 2006 brachten weitere Arbeiten an der gleichen Universität zutage, dass das menschliche Genom in den vergangenen fünf- bis fünfzehntausend Jahren an siebenhundert Stellen durch natürliche Auslese verändert wurde. Zu diesen Genen gehören einige, die für den Geschmack- und Geruchssinn, die Verdauung, die Knochenstruktur, die Hautfarbe und die Gehirnfunktion verantwortlich sind – zu den großen emanzipatorischen Errungenschaften der Genforschung zählt die Erkenntnis, dass alle Unterschiede in der »Rasse« und der Hautfarbe jüngeren Datums, rein äußerlich und irreführend sind. Allein in der Zeitspanne zwischen dem Verfassen dieses Buches und seiner Drucklegung werden gewiss weitere faszinierende und erhellende Entdeckungen auf diesem dynamischen Gebiet gemacht. Vielleicht ist es noch zu früh, um zu beurteilen, ob diese Fortschritte durchweg positiv sind oder »nach oben« führen, jedenfalls ist die menschliche Entwicklung noch im Gange. Das zeigt sich auch daran, dass der Mensch gegen Krankheiten immun wird oder auch nicht. Die Genomforschung hat ergeben, dass frühe Gruppen von Nordeuropäern, nachdem sie gelernt hatten, Vieh zu domestizieren, ein bestimmtes Gen für »Laktosetoleranz« ausbildeten. Andere Menschen jüngerer afrikanischer Abstammung (wir alle stammen ja ursprünglich aus Afrika) neigen zu einer Art der Sichelzellenanämie; diese geht, so furchtbar sie ist, aus einer früheren Mutation hervor, die Schutz vor Malaria bot. Alle diese Aspekte werden noch genauer geklärt werden, wenn wir nur die Bescheidenheit und Geduld aufbringen, die Bausteine der Natur zu begreifen und den Stempel unserer niederen Herkunft zu akzeptieren. Dazu braucht es keinen göttlichen Plan, geschweige denn himmlische Intervention. Es funktioniert alles ohne diese Annahme.
    Damit widerspreche ich – nur ungern – dem großen Voltaire und seiner lachhaften Aussage, wenn es Gott nicht gebe, müsse man ihn erfinden. [FUSSNOTE25]

    Das Problem ist, dass der Mensch Gott überhaupt erfunden hat. Unsere Evolution wurde »von hinten her« untersucht, wobei sich herausstellte, dass sich das Leben zeitweise schneller entwickelte, als Arten ausstarben, und heute können wir auf der Basis unseres Wissens zumindest überblicken und erklären, was die Menschen alles nicht wussten. Tatsächlich genießt die Religion den großen, aber lästigen Vorteil, »zuerst« da gewesen zu sein. Doch Sam Harris stellt in The End of Faith nachdrücklich fest: Wenn wir, einer Vision von Marquez folgend, in einem Anfall kollektiver Amnesie unser mühevoll erworbenes Wissen, unsere Archive, unsere Ethik und Moral verlören und alles neu rekonstruieren müssten, so lässt sich nur schwer ermessen, an welcher Stelle wir uns daran erinnern oder dessen vergewissern müssten, dass Jesus von einer Jungfrau geboren wurde. [FUSSNOTE26]

    Auch verständige Gläubige können sich trösten. Der Skeptizismus und die wissenschaftlichen Erkenntnisse haben sie von der Last befreit, ihren Gott als albernen und tollpatschigen Wissenschaftler hinstellen zu müssen. Wir können es uns auch sparen, danach zu fragen, wer eigentlich den Syphilisbazillus, die Lepra oder die angeborene geistige Behinderung zu verantworten hat oder wer sich die Qualen des Hiob ausdachte. Die Gläubigen werden von diesem Vorwurf freigesprochen. Wir brauchen keinen Gott mehr, um zu erklären, was nicht mehr rätselhaft ist. Was die Gläubigen tun, nun, da ihr Glaube optional, privat und ohne Bedeutung ist, bleibt allein ihnen überlassen. Uns kann das egal sein, solange sie nicht weiter versuchen, anderen ihre Religion aufzuoktroyieren.

Kapitel sieben:

Die Offenbarung: Der Albtraum des »Alten« Testaments

Mit dem Verweis auf die Offenbarung

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