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Der Herr ist kein Hirte - Wie Religion die Welt vergiftet

Der Herr ist kein Hirte - Wie Religion die Welt vergiftet

Titel: Der Herr ist kein Hirte - Wie Religion die Welt vergiftet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Hitchens
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Das war vielleicht eine Überraschung. Alles war genau zu erkennen. Und ich sagte: »Das ist fantastisch. Das ist außerordentlich.« Und ich wollte gerade so was sagen wie »Kodak lebe hoch«, aber dazu kam ich gar nicht, denn Malcolm, der in der ersten Reihe saß, drehte sich plötzlich um und sagte: »Das ist göttliches Licht! Das ist Mutter Teresa! Ihr werdet sehen, das ist göttliches Licht!« Und drei oder vier Tage später riefen Journalisten von Londoner Tageszeitungen bei mir an und sagten: »Ich habe gehört, Sie sind gerade mit Malcolm Muggeridge aus Indien zurückgekommen und haben ein Wunder miterlebt.« [FUSSNOTE38]

    Ein Star war geboren... Wegen dieser und anderer Kritikpunkte, die ich vorgebracht hatte, wurde ich also vom Vatikan in einen geschlossenen Raum geladen, in dem sich eine Bibel, ein Kassettenrekorder, ein Monsignor, ein Diakon und ein Priester befanden. Man fragte mich, ob ich zur »Dienerin Gottes, Mutter Teresa« etwas Erhellendes zu sagen hätte. Während mir scheinbar ohne Hintergedanken diese Frage gestellt wurde, bestätigten auf der anderen Seite der Erde Kollegen allerdings das erforderliche »Wunder«, das die Seligsprechung – das Vorspiel zur Heiligsprechung – in Gang setzte. Mutter Teresa starb im Jahr 1997. An ihrem ersten Todestag behaupteten zwei Nonnen in der bengalischen Stadt Raigunj, sie hätten einer Frau namens Monica Besra, die an einem großen Unterleibstumor gelitten habe, ein Medaillon der Verstorbenen auf den Bauch gebunden, das angeblich mit ihrer Leiche in Kontakt gewesen war. Daraufhin sei die Frau geheilt worden. Man beachte, dass Monica ein katholischer Mädchenname ist, in Bengalen nicht besonders verbreitet, dass also die Patientin und sicher auch die Nonnen bereits Fans von Mutter Teresa waren. Dies gilt allerdings weder für Dr. Manju Murshed, den Leiter des örtlichen Krankenhauses, noch für Dr. T. K. Biswas und seinen Kollegen, den Gynäkologen Dr. Ranjan Mustafi. Alle drei bezeugten, dass Mrs. Besra an Tuberkulose und einer Wucherung der Eierstöcke gelitten hatte und beide Krankheiten erfolgreich behandelt worden waren. Dr. Murshed ärgerte sich vor allem über die vielen Anrufe, die ihn aus Mutter Teresas Orden erreichten. Die »Missionarinnen der Nächstenliebe« drängten ihn zu der Aussage, es handle sich um eine Wunderheilung. Die Patientin selbst gab keine besonders imposante Interviewpartnerin ab: Sie sprach sehr schnell, weil sie nach eigener Aussage fürchtete, zu »vergessen«, und bat darum, auf weitere Fragen zu verzichten, weil sie sich sonst wurde »erinnern« müssen. Ihr Ehemann Selku Murmu brach nach einer Weile das Schweigen und sagte, seine Frau sei durch eine völlig normale und übliche medizinische Behandlung geheilt worden. [FUSSNOTE39]

    Jeder Verwaltungschef in jedem Krankenhaus dieser Welt kann bestätigen, dass Patienten bisweilen überraschend gesunden und dass umgekehrt gesunde Menschen plötzlich und unerklärlich schwer erkranken. Wer auf Wunder aus ist, verweist gern auf die fehlende Erklärung für eine solche Heilung. Das bedeutet aber nicht, dass es eine übernatürliche Erklärung dafür geben muss. In diesem Fall allerdings war Mrs. Besras Gesundung auch nicht im Entferntesten ungewöhnlich, denn die Ärzte hatten bekannte Krankheiten mit den erprobten Methoden geheilt. Ohne den geringsten Beweis wurden sodann spektakuläre Behauptungen aufgestellt. Und trotzdem wird in Bälde der Tag kommen, an dem in einer großartigen und feierlichen Zeremonie in Rom Mutter Teresa vor aller Welt heiliggesprochen wird als eine, die mit ihrer Fürbitte der Medizin auf die Sprünge helfen kann. Das ist für sich betrachtet schon ein Skandal, doch darüber hinaus wird diese Episode zur Folge haben, dass sich indische Dorfbewohner weiter ihren Quacksalbern und Fakiren anvertrauen. Anders ausgedrückt: Als Folge dieses gefälschten und verachtungswürdigen Wunders werden viele Menschen sinnlos sterben. Wenn die Kirche in einer Zeit, in der Ärzte und Journalisten ihre Behauptungen überprüfen können, so etwas zustande bringt, so lässt sich ermessen, wie groß das Ausmaß der Manipulation in Zeiten der Unwissenheit und Angst war, als den Priestern noch kaum Zweifel oder Widerstand begegneten.
    Wieder einmal ist Ockhams Rasiermesser für einen sauberen Schnitt anzusetzen. Bei zwei möglichen Erklärungen muss die verworfen werden, die weniger erklärt, nichts erklärt oder mehr Fragen aufwirft, als sie beantwortet.
    Das gilt

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