Der Herr ist kein Hirte - Wie Religion die Welt vergiftet
Herkunftsort, die physikalischen Gesetze gewissermaßen außer Kraft gesetzt werden müssten, wäre schon das kleinste Materieteilchen von enormem Nutzen und hätte buchstäblich seismische Wirkung. Aber: nichts dergleichen. Stattdessen wächst ein gigantischer neuer Aberglauben heran, der sich auf den Glauben an – nur wenigen Auserwählten zugängliche – okkulte Texte und Scherben stützt. Nun, das kommt mir jedenfalls bekannt vor. Das einzig Vernünftige ist es, sich mit einem Urteil zurückzuhalten, bis die Anhänger dieses Aberglaubens etwas vorlegen, das nicht einfach nur kindisch ist.
Das Gleiche gilt, wenn heute Jungfrauen- oder Heiligenstatuen angeblich weinen oder bluten. Es wäre mir ein Leichtes, einen Hobbyzauberer beizubringen, der so etwas mit Schweineschmalz oder anderen Zutaten zuwege brächte. Doch selbst wenn es nicht so wäre, stellt sich mir die Frage, warum sich eine Gottheit mit so einer schäbigen Effekthascherei zufriedengeben sollte. Zufällig gehöre ich zu den wenigen Menschen, die an einem »Heiligsprechungsprozess« der römisch-katholischen Kirche beteiligt waren. Im Juni 2001 wurde ich vom Vatikan zur Anhörung in Sachen Seligsprechung der Agnes Bojaxhiu geladen, einer ehrgeizigen albanischen Nonne, die unter ihrem Nom de Guerre »Mutter Teresa« recht bekannt wurde. Der damalige Papst hatte zwar das berühmte Amt des Advocatus Diaboli (»Anwalt des Teufels«) abgeschafft, um mehr neue Kandidaten bestätigen und kanonisieren zu können, die Kirche war aber verpflichtet, Auskünfte von Kritikern einzuholen. So fand ich mich gewissermaßen in der Rolle eines Pro-bono-Anwalts für den Teufel wieder.
An der Entlarvung eines »Wunders«, das der Nonne zugeschrieben worden war, hatte ich bereits mitgewirkt. Der Mann, der sie berühmt gemacht hatte, war ein angesehener, wenngleich recht naiver britischer Evangelist, später Katholik, namens Malcolm Muggeridge. In seiner BBC-Dokumentation Something Beautiful for God führte er 1969 die Marke »Mutter Teresa« ein. Der Kameramann war Ken Macmillan, hoch gelobt für seine Arbeit zu Lord Clarks großartiger Kunstgeschichtereihe Civilisation . Sein Umgang mit Farbe und Licht war erstklassig. Hier ist die Geschichte, wie Muggeridge sie im Buch zum Film erzählte:
Mutter Teresas Heim für Sterbende ist durch kleine Fenster hoch oben in den Wänden nur schwach erleuchtet, und Ken war der festen Überzeugung, dass Filmen darin ganz unmöglich sei. Wir hatten nur ein kleines Licht bei uns und konnten den Ort in der uns zur Verfügung stehenden Zeit nicht hinreichend ausleuchten. Es wurde beschlossen, dass Ken dennoch einen Versuch wagen sollte, aber, um sicherzugehen, machte er zusätzlich Aufnahmen in einem Außenhof, in dem einige der Insassen in der Sonne saßen. Auf dem entwickelten Film war der innen aufgenommene Teil in ein besonders schönes, weiches Licht gebadet, während der draußen aufgenommene ziemlich blass und undeutlich war.... Ich selbst bin absolut davon überzeugt, dass dies technisch unerklärliche Licht tatsächlich das »Milde Licht« ist, auf das sich Newman in seiner bekannten ausgezeichneten Hymne... bezieht.
Daraus schloss Muggeridge:
Und eben dafür sind die Wunder da, die innere Wirklichkeit der äußeren Schöpfung Gottes zu enthüllen. Ich persönlich bin davon überzeugt, dass Ken das erste echte fotografische Wunder aufgezeichnet hat. Es hat mich sehr froh gemacht, und ich fürchte, so viel darüber geschrieben und geredet zu haben, dass ich die Leute gelangweilt, manchmal sogar geärgert habe.
Mit dem letzten Satz hatte er sicher recht, doch als er fertig war mit Reden und Schreiben, war Mutter Teresa weltberühmt. Mein Beitrag bestand nun darin, herauszufinden und abzudrucken, was Ken Macmillan, der Kameramann, dazu zu sagen hatte:
Bei den Dreharbeiten zu Something Beautiful for God wurden wir einmal zu dem Haus gebracht, das Mutter Teresa als Haus der Sterbenden bezeichnete. Der Regisseur Peter Chafer sagte: »Hier ist es ja ganz schön dunkel. Können Sie da was machen?« Von der BBC hatten wir gerade einen neuartigen Film von Kodak zugeschickt bekommen, den wir vor unserer Abreise nicht hatten testen können. Ich sagte daher zu Peter: »Wir können ihn ja mal probieren.« So haben wir die Szene gedreht. Und als wir mehrere Wochen später wieder in London waren – ein oder zwei Monate danach – da saßen wir im Vorführraum in den Ealing Studios und sahen uns die Aufnahmen aus dem Haus der Sterbenden an.
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