Der Herr vom Rabengipfel
kraftvollen Körper. Nicht viele Männer kümmern sich um die Lust einer Frau. Du tust es, denn ich habe gesehen, was du mit Laren getrieben hast. Und sie weiß nicht einmal, daß du anders bist als die meisten Männer. Sie weiß gar nicht zu schätzen, was du ihr gibst. Ich will dich. Was hältst du davon?«
»Ich fürchte, ich kann deinen Wunsch nicht erfüllen. Ich bin einer von Herzog Rollos Nachfolgern. Es wäre zu gefährlich, meine Gemahlin, Rollos Lieblingsnichte zu betrügen, so weich und verführerisch dein Leib auch sein mag.«
»Andererseits«, entgegnete Helga gelassen und stellte ein schlankes Glasgefäß auf die Tischplatte, »kann ich dir mehr Vergnügen bereiten, als du dir erträumst, vielleicht könnte ich dir sogar verraten, wer damals für Larens Entführung verantwortlich war.«
Merrik sah sie sehr lange an. »Ich könnte aber auch deinen weißen Hals so lange zudrücken, bis du gestehst, wer der Täter war.«
»Ja, das könntest du.«
Er trat langsam auf sie zu. Lächelnd entblößte sie ihren Hals. »Komm«, hauchte sie, »Töte mich.«
Kapitel 24
»Mylord Merrik! Tut es nicht!« schrie Otta von der Tür her. »Tut ihr nicht weh!«
Merrik lächelte Helga an, bevor er sich langsam Rollos Minister zuwandte. »Ihr habt einen leisen Schritt, Otta«, sagte er leichthin. »Habt Ihr gelauscht? Habt Ihr gehofft, mich reitend auf ihr zu finden?«
»Ihr verspottet mich, Wikinger«, entgegnete Otta und betrat zögernd den Raum. Männer wie Merrik Haraldsson neigten zu Gewaltausbrüchen. »Ich bin kein Lauscher an der Wand und wußte nicht, daß ich Euch hier vorfinde. Ich wollte zu Helga.«
»Hier ist sie«, erwiderte Merrik mit einem kalten Lächeln. Otta zog einen raschen Rückzug in Erwägung.
Helga lachte. »Nun Otta, was wünschst du? Ein Tränklein für Rollo? Ich kann die Schmerzen in seinen Gelenken nicht lindern. Ich habe mir alle Mühe gegeben.«
»Ich muß mit dir sprechen.«
Merrik blickte von Helga zu Otta. »Wollt Ihr Fromms Platz einnehmen? Ich würde mir das sorgfältig überlegen, Otta.«
»Meine Überlegungen sind stets sorgfältig erwogen, Lord Merrik. Aus diesem Grund bin ich Rollos Minister.«
Merrik verließ das Turmzimmer, stieg die gewundenen Holzstufen hinab und betrat den Burghof. Die schweren Regenfälle der vergangenen Nacht hatten lehmige Pfützen hinterlassen. An einem Holzbalken waren Pferde angebunden, die aus einem Trog Heu fraßen. Scharfer Pferdegeruch hing in der Luft. Merrik nickte einigen Soldaten zu, die auf dem Hof herumlungerten und ihn argwöhnisch beäugten. Sie wußten, wer der Fremde war, wußten auch, daß er nach Rollos Tod ihr Anführer werden könnte. Ob Wilhelm von der Existenz des Wikingers wußte?
Merrik setzte seinen Weg fort, in Gedanken war er mit dem Herzog beschäftigt. Laren hatte ihm von Ferlain erzählt, die sich in ihr Schlafgemach geschlichen, sie beinahe zu Tode erschreckt und ihr gestanden hatte, daß Rollo der Drahtzieher hinter ihrer Entführung gewesen sei, daß er sie und Merrik hasse und daß er Larens Mutter Nirea begehrt hatte ... Das alles klang zu fantastisch und ergab keinen Sinn. Er hielt Ferlain für ziemlich verrückt. Und Helga? Würde sie ihm wirklich gestehen, wer hinter der Entführung steckte, wenn er mit ihr ins Bett stieg? Er sah, wie Weland sich aus einer Gruppe von drei Männern löste, die sich auf einem strohbedeckten Viereck im Ringkampf übten.
Schwitzend massierte Weland sich im Gehen die nackte Schulter. Obgleich kein junger Mann mehr, bewegte Weland sich kraftvoll und elastisch.
»Ho! Lord Merrik. Ich habe eine Nachricht von Rollo für Euch. Er besucht einen alten Mann, der in einer Hütte etwa zehn Meilen flußaufwärts lebt. Er wünscht, Euch und Laren dort zu treffen.«
»Aus welchem Grund?«
Weland schien zunächst um eine Antwort verlegen. »Der Alte weissagte Rollos Aufstieg vor vielen Jahren. Er ist eine Art Zauberer. Rollo wünscht Euch und Laren dort zu treffen, damit der Alte Eure Zukunft erforscht und Euch weissagt. Rollo meint, es sei zum Nutzen des Volkes. Wenn er einst stirbt und Ihr zu seinem Nachfolger ernannt werdet, darf es keinen Zweifel an Eurer rechtmäßigen Bestimmung geben.«
»Verstehe«, meinte Merrik bedächtig, ohne Welands Worten Glauben zu schenken. Hatte Rollo ihn wirklich mit dieser Lügenmär geschickt? War der Herzog verrückt? Zerfressen von Haß und Eifersucht? War er zu alt, um zu wissen, was er tat? Bei ihrer ersten Begegnung hatte er so überzeugend
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