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Der Herr vom Rabengipfel

Der Herr vom Rabengipfel

Titel: Der Herr vom Rabengipfel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Coulter
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die Mischung fertigstellen, bevor alles ruiniert ist.«
    Ferlain setzte sich seufzend. Sie befanden sich in Helgas Turmgemach, in das kein Diener Zutritt hatte. Niemand außer Ferlain kam hier herauf, nicht einmal Helgas Gemahl Fromm. Darüber schimpfte und wetterte er, doch Helga blieb unerbittlich. Er war hier unerwünscht. Er hatte Angst vor seiner Frau, dachte Ferlain und beobachtete ihre Schwester, die mit Eifer und höchster Aufmerksamkeit eines ihrer Zaubertränklein mischte. Und nur seine Angst hinderte ihn daran, die Hand gegen seine Ehefrau zu erheben. Was mochte das nur wieder für ein Zaubertrank sein?
    Vielleicht war es Gift für Rollo. Der ekelhafte alte Mann wollte wohl ewig leben. Wieso starb er nicht? Er hatte sechsundfünfzig Jahre auf dem Buckel und war trotz seiner schmerzenden Gelenke immer noch gesund und kräftig wie ein Hengst. Er hatte noch all seine Zähne, sein Haar war dicht und schwarz, und er hielt sich aufrecht mit geraden Schultern.
    Nein, es war kein Gift. Vermutlich ein Trank für Helga selbst. Ferlain musterte die ältere Schwester neidisch, die um Jahre jünger aussah als sie. Kein Fältchen verunzierte ihr Gesicht, ihre Haut war zart und rosig. Ihr dunkelblondes Haar war voll und glänzte seidig. Sie wurde bald fünfunddreißig. Ferlain war neunundzwanzig und sah alt genug aus, um Onkel Rollos Gemahlin und nicht seine Nichte zu sein.
    Ferlain wollte ungeduldig aufspringen, um ihre Wanderung wieder aufzunehmen. Doch ein strafender Blick der Schwester zwang sie, sich seufzend zurückzulehnen. Ihre Finger nestelten unruhig an den Falten ihres Rockes. Sie mußte irgend etwas tun, sich Bewegung verschaffen, was ihr bei ihrer Leibesfülle bei Gott nicht leichtfiel. Von keinem der vielen Kinder, die sie ausgetragen und tot geboren hatte, hatte sie etwas gehabt. Jedes einzelne hatte sie nur fetter, häßlicher und schwerfälliger gemacht. »Bist du endlich fertig, Helga?«
    »Ja, ich bin fertig.« Helga richtete sich auf und betrachtete den Trank zufrieden, der eine gelblichbraune Farbe hatte und völlig geruchlos war. Sie setzte die Silberschale an die Lippen und trank sie bis zur Neige. Einen Wimpernschlag lang verzerrte eine Aufwallung von Ekel ihre Gesichtszüge. Mit den Fingerspitzen berührte sie ihre Kehle, ihr Kinn und schließlich den Punkt zwischen den Augen. Dann sagte sie ruhig: »Nun gut, Ferlain. Es sind Fremde auf der Burg. Rollo und Weland schweigen sich darüber aus, wer die Leute sind. Selbst Otta hüllt sich in Schweigen. Ist das richtig?«
    »Ja. Wer sind die Leute?«
    Helga zuckte die Achseln. »Das werden wir früh genug erfahren. Was kümmert's dich?«
    »Ich weiß, daß sie es ist.«
    »Sie? Wer?«
    »Laren. Tu nicht so, als wüßtest du nicht, von wem ich spreche!«
    »Laren«, wiederholte Helga gedehnt. »Seltsam. Ich habe lange nicht an das Mädchen gedacht. Glaubst du wirklich, daß sie überlebt hat? Das wäre sehr spannend. Aber Taby ist nicht bei ihr, du hast wenigstens nichts von einem Kind erwähnt. Er müßte jetzt sechs Jahre sein. Er war ein schwaches Kind. Du weißt selbst, wie anfällig Kinder sind. Ein kalter Windhauch, und das Balg wird krank und stirbt. Ja, Kinder sind zarte Geschöpfe. Und wenn sie wirklich Laren ist, was kümmert's dich?«
    »Ich hasse dich, Helga! Du tust so neunmalklug und überheblich. Wenn es Laren ist, ist sie gekommen, um etwas gegen uns auszuhecken. Sie wird uns Scherereien machen, gegen die keiner deiner Tränke etwas ausrichten kann.«
    Helga zuckte lächelnd mit den Schultern. »Laß sie soviel aushecken wie sie will. Wir wissen nicht, was mit ihr geschehen ist. Beruhige dich. Du wirst von Tag zu Tag fetter, Ferlain. Du solltest aufhören, ständig Süßigkeiten zu naschen, die neben deinem Bett stehen. Und der arme Cardle ist so hager. Selbst sein Brustkasten ist schon eingefallen.«
    »Bei Gott, Helga, ich habe acht Kinder ausgetragen! Eine Frau wird mit jedem Kind fülliger.«
    Helga fühlte sich über die Maßen gelangweilt, hatte sie doch jede Schwangerschaft ihrer Schwester und jede einzelne Fehlgeburt bis zum bitteren Ende mitgemacht. Achselzuckend meinte sie: »Ich würde mich freuen, wenn unsere verlorene Halbschwester zurückkäme. Sie war ein süßes Kind und eine wilde Range, bis Taby zur Welt kam. Dann wurde sie zu seiner kleinen Ersatzmutter, die ihn mehr liebte als seine eigene Mutter, die treulose Hure. Wie mag Laren jetzt wohl aussehen? Sie müßte achtzehn sein.«
    »Wirst du nichts tun?«
    Helga

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