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Der Herzausreißer

Der Herzausreißer

Titel: Der Herzausreißer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Vian
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unter diesen Umständen weigert, luxuriös zu handeln, dem wird die Strafe der Bösen widerfahren, die auf ewig in der Hölle auf schäbigen Holzkohlefeuern, auf Torffeuern und sogar auf Feuern von dürrem Gras, wenn nicht gar von trockenem Mist braten werden.«
    »Geld zurück! Geld zurück!« schrien diejenigen, die keinen Platz zum Sitzen hatten.
    »Euer Geld kriegt ihr mitnichten zurück. Setzt euch so gut ihr könnt, oder setzt euch auch nicht, GOtt ist das völlig egal. Wir haben auf eure Stühle andere Stühle draufgestellt, mit den Beinen nach oben, damit ihr kapiert, dass sie bei diesen Sitzplatzpreisen für Stühle gerade noch gut genug sind. Schreit, protestiert wie ihr wollt, GOtt ist Luxus und Schönheit, ihr braucht euch nur teurere Karten zu kaufen. Wer das wünscht, kann sich sein Gewissen dadurch reinwaschen, dass er einen Zuschlag entrichtet, er wird jedoch seinen schlechten Platz trotzdem behalten. Wiedergutmachung hat noch nichts mit Vergebung zu tun.«
    Man fand, dass der Pfarrer ein bisschen über die Stränge haute. Jacquemort vernahm lautes Krachen und fuhr herum. Da sah er den Hufschmied auf den billigen Plätzen stehen. In jeder Hand hielt er einen Stuhl und schlug beide gegeneinander. Beim zweiten Anprall zersplitterten die Stühle zu zündholzgroßen Stücken. Kurzerhand schleuderte er die Trümmer in Richtung der Kulissen, die durch einen gespannten Vorhang angedeutet waren. Das war das Signal. Alle diejenigen, welche schlechte Plätze hatten, packten die Stühle, die ihnen so zuwider waren, und fingen an, sie kurz und klein zu schlagen. Wer nicht die Kraft dazu besaß, reichte sie einfach an den Hufschmied weiter.
    Bei all dem Heidenlärm flogen die Trümmer durch die Luft, sich gewaltsam einen Weg durch den Spalt bahnend, der zwischen den beiden Vorhanghälften klaffte. Ein glücklicherer Treffer als die anderen zerbrach die Vorhangstange. Durch den Lautsprecher hörte man den Pfarrer toben:
    »Ihr habt kein Recht dazu! Der Luxus-GOtt verachtet eure schlechten Manieren, eure schmutzigen Strümpfe, eure gelbgefleckten Unterhosen, eure schwarzen Hemdkrägen und den Belag auf euren Zähnen. GOtt verwehrt das Paradies den mageren Saucen, den schlecht garnierten Hähnchen, den ausgemergelten Karrengäulen, GOtt ist ein herrlicher Silberschwan, GOtt ist ein Saphirauge in einem funkelnden Dreieck, ein Diamantenauge auf dem Grunde eines goldenen Nachtgeschirrs, GOtt, das ist die Wollust der Karate, das sind die großen Geheimnisse aus Platin, die hunderttausend Ringe der Kurtisanen von Malampia, GOtt, das ist eine brennende Kerze, getragen von einem Bischof in Samt, GOtt lebt im wertvollen Metall, in flüssigen Perlen, im siedenden Quecksilber, im Kristall des Äthers. GOtt sieht euch, ihr Drecksäue, und er schämt sich für euch ...«
    Bei dem verbotenen Wort fingen die Leute, und selbst jene, die einen Sitzplatz hatten, zu schimpfen an.
    »Jetzt langt’s, Pfarrer! Wo bleibt deine Vorstellung?«
    Die Stühle flogen immer lebhafter.
    »Er schämt sich für euch! Ihr Rüpel, ihr Mistsäue, ihr Schwachköpfe, ihr seid der Schmutzlappen der Welt, die Kartoffeln im Suppentopf des Himmels, die Brennesseln im Garten Gottes, ihr seid ... zum Grausen seid ihr, bääääh!«
    Ein besser als die übrigen gezielter Stuhl hatte den Vorhang soeben ganz heruntergerissen, und man erblickte den Pfarrer in Unterhosen, wie er vor seinem Mikrophon herumtanzte und sich dabei die Arme über den Schädel hielt.
    »Die Vorstellung, Pfarrer!«, brüllte die Menge wie aus einem Munde.
    »Gut! Drecksgesindel! Schon gut!« sagte der Pfarrer. »Gleich geht’s los!«
    Der Lärm verstummte sogleich. Die Stühle waren jetzt beinah alle besetzt, und die Chorknaben drängelten sich um den Pfarrer. Einer davon hielt ihm einen braunen, rundlichen Gegenstand hin, in welchen der Pfarrer eine Hand steckte. Dasselbe geschah mit der anderen Hand. Danach zog sich der Pfarrer einen prachtvollen, schreiend gelben Morgenmantel über und sprang hinkend in den Ring. Sein Mikrophon hatte er mitgebracht und befestigte es über seinem Kopf auf einer dafür vorgesehenen Schnur.
    »Heute«, kündigte er ohne weitere Umschweife an, »werde ich vor euren Augen in zehn Runden zu je drei Minuten mit Kraft und Standhaftigkeit gegen den Teufel kämpfen!«
    Ein ungläubiges Gemurmel wurde in der Menge laut.
    »Lacht nicht!«, schrie der Pfarrer. »Wer das nicht glaubt, soll herschauen!«
    Er gab ein Zeichen, und der Küster kam wie der Blitz aus

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