Der Herzberuehrer
schon ganz genau, was er meinte, aber ich konnte mich nicht daran erinnern, über all das gesprochen zu haben. Wenn dem so war, und so sah es ja nun mal aus, dann hatte ich Mist gebaut.
»Bei der Frau handelte es sich um Danieles Mutter...«, begann ich mit dem einfachen Teil.
»Und was wollte sie von dir?«
»Ich habe ihr einige Sachen von ihm zukommen lassen, bei der Beerdigung. Darum wollte sie mich sprechen.«
»Und deswegen kommt sie extra den weiten Weg von Perugia nach Genova. Nur um mit dir zu sprechen?«
»Deswegen ist sie gekommen, ja...«
»Hmhm... Und?« Er sah von der Straße kurz zu mir. »...konntest du ihr helfen?«
Ich schüttelte den Kopf. »Nein... ich denke nicht...«
»Du willst nicht darüber reden...«, stellte er nüchtern fest und hatte Recht damit. »Das ist eine lange Geschichte...«
Ein weiterer, langer Blick Matteos folgte, aber dabei ließ er es auch bewenden.
Was dann in Casella folgte, war überraschend für mich, denn ich hätte mit allem gerechnet, doch nicht damit. Denn kaum, dass wir das Ortsschild passiert hatten, fuhr er seinen alten Renault an den Straßenrand und hielt an.
»In Ordnung...«, sagte er ruhig. »...Wie geht es deinem Fuß?«
»Ganz gut...«, antwortete ich verblüfft.
»Pocht da irgendwas, oder fühlt er sich irgendwie heiß an...?«
»Er pocht etwas, aber nicht sehr. Und er ist nicht heiß.«, antwortete ich ehrlich.
»Gut. Ich habe das Gefühl, bei deinem Fuß kommt es jetzt nicht auf Minuten an. Also erledige, was du zu erledigen hast. Du hast eine halbe Stunde. Und danach bringe ich dich nach Busalla zu Dottore Tomba. Dem vertraue ich wenigstens...« Mit diesen Worten ließ er den Wagen wieder an, setzte mich auf meine Bitte hin vor der Pensione Barbara ab, parkte auf der gegenüberliegenden Straßenseite und wartete geduldig auf meine Rückkehr.
·
»Signora Sabricci kommt gleich herunter. Wenn sie einen Moment Platz nehmen möchten?« Die Empfangsdame - vermutlich Namensgeberin Barbara - legte mit einem Lächeln den Hörer auf die Gabel und wies auf eine orangefarbene Velours-Sesselgruppe neben der Treppe. »Äh... darf ich fragen... sind sie nicht...?«
Nachdem ich ihr eine Widmung in eines meiner elfenschnell von ihr hervorgeholten Kochbücher gekritzelt hatte, humpelte ich, wie empfohlen zu den Sesseln und beschäftigte mich zur Zeitüberbrückung mit ein paar Leporello-Prospekten, die gefächert auf einem kleinen Glastisch lagen und die Umgebung anpriesen.
Maria Sabricci kam wie angekündigt nach nur wenigen Minuten. Sie schien offensichtlich überrascht, mich nach so kurzer Zeit wiederzusehen, was mich nicht wunderte. Unser gestriges Gespräch hatte ein erneutes Zusammentreffen eigentlich ausgeschlossen. Ebenso überrascht schien sie über meinen verletzten Fuß. Sie äußerte sich jedoch nicht dazu.
»Haben sich es sich anders überlegt...«, fragte sie stattdessen, nachdem sie mir gegenüber Platz genommen hatte, und ich konnte Hoffnung aus ihrer Stimme heraushören.
Ich schüttelte bedauernd den Kopf. »Ich bin auf der Suche nach Shiro Comero...«
»Dann haben sie ihn verpasst.«
»Können sie mir sagen, was er von ihnen wollte?«
Ihre Haltung versteifte sich etwas, nachdem sie erkennen musste, dass kein Umdenken auf meiner Seite stattgefunden hatte.
»Eine Entschuldigung. Und die habe ich ihm gegenüber auch ausgesprochen... Ganz, wie ich es ihnen gesagt habe. Hören Sie Luca...«, versuchte sie es aufs Neue, »Sie wissen, dass ich Ihnen im Grunde Recht gebe, aber was sie vorhaben... Ihr Anliegen...«
»War das alles...?«, unterbrach ich sie mit wachsender Sorge, »...Wollte er sich nur eine Entschuldigung abholen?«
»Er wollte die Tagebucheinträge sehen... aber ich dachte, dass wüssten sie?« Sie schien ehrlich erstaunt.
»Und sie haben sie ihm gezeigt?«
»Ja sicher. Ich verstehe nicht wieso das...«
»Wie hat er reagiert?«
»Überhaupt nicht. Oh je...« Sie senkte schuldbewusst ihren Blick, so als begreife sie gerade, dass sie einen Fehler begangen hatte. »...Ich habe sie ihm mitgegeben. Es waren ja doch nur Kopien...«
Mehr musste ich eigentlich nicht wissen. Ich sah meine schlimmsten Befürchtungen bestätigt. Abschließend murmelte ich noch irgendeine Abschiedsfloskel, verbunden mit einem Dankeschön für ihre Offenheit und verließ, so schnell mein Fuß es zuließ, die Pensione Barbara.
Jetzt ging es darum, Shiro zu finden. Der Fuß musste warten...
·
»Daniele hat eine Art Tagebuch geführt...«,
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