Der Herzberuehrer
nickte.
»Da könntest du Recht haben.«
»Machen wir es so...?«
Es folgte zwar keine Antwort, doch ich wertete ihren Blick als Einverständnis. Etwas anderes wollte ich mir auch gar nicht vorstellen. Unser Flieger ging um drei.
"Danke Chip...", sagte ich knapp zum Abschied und verließ damit die Küche.
Unsere Sachen waren gepackt, Beppo schon in den Startlöchern. Er hatte sich angeboten, uns zum Flughafen nach Genua zu bringen. Blieb also nur noch...
»Luca, hast du jetzt mal einen Moment für mich?« Matteo fing mich im Treppenhaus ab, so dass ich beinahe in ihn hineingerannt wäre.
»Ist gerade ganz schlecht...«, sagte ich mit eilendem Drängeln in der Stimme.
»...Aber ich... ich müsste mal mit dir sprechen, Kleiner...«
»Später, ja?«
»Vergiss es nicht...«
»...Sicher nicht...«
19.
Als wir am frühen Abend die Koffer auf unsere Betten hievten, da fühlte ich mich so zerschlagen, als hätte ich 24 Stunden Steine geschleppt.
Hier standen wir nun also, in einem Hotelzimmer in Catanzaro, über 1000 Kilometer von Zuhause entfernt, Shiro auf der einen, ich auf der anderen Seite des Bettes, und wir schauten uns an, so als hätten wir gerade eine wirklich große Dummheit begangen.
Eine schmale, offenstehende Balkontür führte auf einen kleinen Austritt, von dem leise vertraute Stadtgeräusche zu uns hinauf drangen.
Via Cesare 11, die Küche, 17 Uhr, Markt um die Ecke...
Ich schob das Bild beiseite.
»Wir sind nie gereist, als wir noch zusammen waren...!«, stellte ich fest, während ich den Reißverschluss meines Kofferdeckels öffnete. »...Ich habe mir oft vorgestellt, wie es wohl gewesen wäre, wenn ich dich damals nach Japan begleitet hätte...«
Dann würdest du jetzt nicht auf deinem geliebten Berg leben...«
Da hatte er Recht. Dazu wäre es nicht gekommen.
»Ich hätte mein Auge noch«, sponn ich weiter.
»Ich hätte nie das L'amo bekommen...«
»Stimmt! Das hätten wir uns nicht leisten können!«
Shiro betrachtete mich ernst. »...Wir hätten uns vielleicht nie getrennt...«
» Du dich von mir ...«, korrigierte ich ihn.
»Gut! Ich mich von dir ...«
»Schon möglich...«
»Weißt du...«, begann er, besann sich dann aber eines besseren, tat es mir nach, öffnete seinen Koffer und sortierte dessen Inhalt in die ihm zugedachten Schrankfächer.
Unser Zimmer war weder besonders groß noch nennenswert ausgestattet, aber es hatte ein brauchbares Duschbad und befand sich in erreichbarer Nähe des Collegio San Noicola. Darauf hatte ich geachtet.
»Und nun?«, fragte Shiro schließlich, nachdem wir unser Gepäck verstaut und die Schränke geschlossen hatten. »Was machen wir nun?«
»Jetzt wird gegessen!«
·
Man stelle sich je eine Handvoll Kirschen auf drei stattlichen Panettone vor, dann hat man in etwa ein Bild von Catanzaro.
Es ist schon verrückt. Diese Stadt liegt in schwindelerregender Höhe, und doch besitzt sie einen großzügigen, wirklich schönen Strand. Das, was aber tatsächlich beeindruckt, ist ein grandioser Blick auf den Golf von Squillace. Das macht Catanzaro so schnell keiner nach.
Um unkompliziert vom einen zum anderen Stadtteil zu gelangen, existieren eine Vielzahl abenteuerlicher Brücken, die die drei Hügel der Stadt miteinander verbinden. Ist man viel unterwegs, fühlt man sich dadurch irgendwie ein wenig wie auf einer Modelleisenbahn.
Unser kleines Hotel namens 'Angelo' befand sich ganz am Rande des mittleren 'Kuchen', das Internat wiederum auf jenem, der mehr ins Landesinnere ragte. Im Grunde trennte uns nur eine 460 Meter lange Bogenbrücke, die seit jeher eine eindrucksvoll zerklüftete Schlucht überspannt.
Als wir an diesem ersten Abend gemächlich durch die Straßen bummelten, die Kragen unserer Jacken schützend hochgeschlagen, da erwachte in mir plötzlich so etwas wie ein Urlaubsgefühl. Bis dato kannte ich das nicht. Kein Wunder! Noch nie zuvor hatte ich in einem Hotelzimmer gewohnt, von meiner 'Locatelli-Episode' einmal abgesehen, noch niemals war ich geflogen, niemals zuvor hatte ich eine Stadt einfach nur so 'besucht'. Es war ein eigenartiges Gefühl, das mich da beschlich. Für einen Moment verblassten die bedrückenden Gedanken, die mit dem eigentlichen Ziel der Reise zusammenhingen. Natürlich war dies kein einfacher Städtebesuch. Es ging nicht um Sightseeing, um Erholung. Sicher nicht.
Doch an diesem Abend, in diesen wenigen Stunden, in denen wir durch die zugigen Straßen von Catanzaro zogen, ganz großartige Pizza
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