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Der Herzberuehrer

Der Herzberuehrer

Titel: Der Herzberuehrer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jobst Mahrenholz
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Margherita in einem winzigen Restaurant am Ortsrand verschlangen, Shiro uns eine Flasche vom Hauswein zusätzlich bestellte, um später auf unserem Zimmer nicht auf dem Trockenen zu sitzen - an diesem ganz speziellen Abend hatte ich einfach nur das unsagbar schöne Gefühl von unbelasteter Urlaubsstimmung. Es ging mir gut...
    »Es geht mir gut!«, echote ich unbeabsichtigt meine Gedanken und erntete damit ein überraschtes Lächeln meines Japaners.
    Wir waren gerade auf dem Rückweg zu unserem Hotel.
    »Das sehe ich...«, sagte er nur. Er war unvermittelt stehengeblieben, so, dass ich zeitverzögert noch ein paar Schritte nach vorne gegangen war. Ich drehte mich zu ihm um, blinzelte gegen den Wind und musste lächeln. Wie er so dastand, mit seiner Flasche Barolo unterm Arm, seine neonblaue Mütze bis über die Ohren gezogen, wie er mich ansah, sein Lächeln, leicht erstaunt, das hatte schon was. Wenn einer sehen konnte, wie es mir ging, dann mit Sicherheit er. Er hatte ihn immer noch - den Luca-Blick.
    Ich lächelte zurück...
    ·
    Als ich erwachte, war die Welt verändert.
    Ein schmaler Streifen Sonne fiel durch die grünen Vorhänge quer über unser Bett. Die leergetrunkene Flasche Barolo befand sich auf meinem Nachttisch und in ihrem Anblick die Erinnerungen der letzten Stunden.
    Shiro lag auf dem Bauch, die Arme über dem Kopf gekreuzt.
    Ich drehte mich auf die Seite und betrachtete ihn. Er atmete ruhig. Sein dichtes Haar verdeckte das Gesicht, aber ich wusste ohnehin, wie es aussah, im Schlaf. So oft hatte ich ihn dabei beobachtet, dass ich das Verborgene durch meine Erinnerung einfach ergänzen konnte.
    Seine Schultern hoben und senkten sich, kaum merklich zwar, aber sie taten es. Shiro konnte überall schlafen. Ich beneidete ihn dafür. Vermutlich stammte diese Fähigkeit aus der Zeit, als sein Vater ihn immer wieder in den Keller gesperrt hatte, oft tagelang. Darum beneidete ich ihn nicht...
    Noch immer fehlten ein paar Pfund an seinem Körper. Seine Schulterblätter zeichneten sich scharf unter der gespannten Haut ab. Aber seine Muskulatur hatte aufgeholt, und statt dieser kranken Blässe war der vertraute helle Weizenton zurückgekehrt, der ihm so zu eigen war.
    Die Nacht war wunderbar gewesen.
    Eigentlich nicht so überraschend...
    Die Umstände... das gemeinsame Zimmer... ein und dasselbe Bett... der Barolo...
    Weder hatte ich es kommen sehen, geschweige denn beabsichtigt.
    Was Shiro angeht, so mag es bei ihm anders gewesen sein.
    Von Sanftheit getragene Stunden lagen hinter uns, eine zarte, immens vorsichtige Nacht und das, was sie so durch und durch außergewöhnlich für uns gemacht hatte war, dass wir beide, sowohl Shiro als auch ich, dass wir auf unsere ureigene Weise auch ganz dicht bei Daniele gewesen waren. Wir beide waren in Gedanken bei ihm gewesen, mit unseren Gefühlen, mit dem was wir taten, mit jeder Bewegung, jedem Kuss, mit jeder Liebkosung - jeder auf seine Art - und doch irgendwie zusammen...
    Es war gut so! Sehr gut...
    Aber auch etwas eigenartig...
    Nichts Leichtfertiges... nichts Beiläufiges, Belangloses...
    Ganz und gar nicht!
    Daniele hatte uns getrennt, seinerzeit. Wenn man so wollte, fügte er uns nun wieder zusammen. Auf eine ganz spezielle Weise, à la Daniele eben...
    Doch noch etwas war geschehen, etwas nur für mich, ganz allein.
    Herzberührer: Dieses Bild hatte mich nie wirklich losgelassen, mich mit Sehnsucht und auch mit Neid erfüllt.
    Nun, an diesem besonderen Morgen, da stellte ich fest, endlich, nach einer wirklich langen Zeit, dass auch ich einen solchen hatte, einen 'Herzberührer'.
    Tatsächlich hatte ich erst durch diese Nacht begriffen, dass es so war.
    Ich unfassbarer Ignorant...
    Darum, vor allem, war die Welt verändert, an diesem Morgen - zumindest für mich...
    ·
    Gerade mal vier Stunden später fand ich mich in die Betrachtung eines Kruzifix vertieft, welches in der Kapelle vom Collegio San Noicola direkt über dem Altar angebracht worden war. Es handelte sich um eine geschmiedete Variante, was es nicht besser machte. Die Dornenkrone des Gekreuzigten erinnerte unweigerlich an Stacheldraht - vielleicht war es welcher. Von unten gesehen konnte ich es nicht richtig erkennen.
    »...Hübsch...«, bemerkte ich etwas blasphemisch, was mein Begleiter mit einem milden Lächeln quittierte. »Da haben wir so einiges an Auswahl...«, bot er an.
    »Gott bewahre, danke nein!« Mein Entsetzen klang echt. Ich war richtig gut an diesem Morgen.
    »Hier, im Chor, findet das

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