Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Herzberuehrer

Der Herzberuehrer

Titel: Der Herzberuehrer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jobst Mahrenholz
Vom Netzwerk:
hinaufstiegen. »...Die Schüler aus einem Haus stehen zusammen. Sie unterstützen sich, und sie helfen einander...«
    »Ein bisschen so wie bei Harry Potter?«
    Dino lächelte über den Vergleich. »Ziemlich genau wie bei Harry Potter!«, pflichtete er mir bei, »...und da wären wir auch schon...«
    Links von uns erstreckte sich ein breiter Flur, von dem zu beiden Seiten grün lackierte Türen abgingen. Das Ende des Gangs wurde von zwei hohen schmalen Fenstern flankiert, zwischen denen ein dunkles Holzpult mit Postfächern angebracht war. An den Türen befanden sich Steckschilder, die meist mit einem, manchmal aber auch mit zwei Namen beschriftet waren.
    Hier also hatte Daniele gelebt, dies war sein Lebenszentrum gewesen, während Shiro und ich diese Zeit genutzt hatten, eine gemeinsame Zukunft aufzubauen. Ich konnte seinen Schmerz mehr und mehr verstehen.
    Wir machten vor einer Tür halt, deren Rahmen in einem dunkleren Grün abgesetzt war als die übrigen. Dino klopfte.
    Nun sollte ich also mehr über 'Eles Vergangenheit erfahren. Ich schluckte trocken bei dieser Vorstellung, dachte kurz an eine Zigarette und machte mich auf ein paar unangenehme Wahrheiten gefasst...
    ·
    »Zwei Gründe gibt es, warum ich mich noch so gut an Daniele Sabricci erinnere...«
    Toni Colei saß mir gegenüber, die Beine lässig übereinander geschlagen. Er nippte an einer Tasse sehr heißem Tee. Dino und ich hatten den unsrigen noch nicht angerührt. Ich war gespannt, was für zwei Gründe das waren.
    »Zum einen...«, fuhr er schließlich fort, »...kam er mitten im Schuljahr zu uns. Das war absolut unüblich, und es ließ natürlich Raum für Spekulationen.«
    Was folgte, war eine längere Kunstpause, die mein Begleiter Dino dazu nutzte, das eben Gesagte mit eifrigem Nicken zu bekräftigen, um sich im Anschluss dann ebenfalls seinem Tee zu widmen.
    »Und zum anderen?«, forschte ich nach.
    »Zum anderen kannte schon so ziemlich bald jeder hier im Haus den Grund, weshalb Sabricci zu uns gekommen war...«
    »Das ist so ungewöhnlich?«
    »Ja, schon.«
    »Und was war das für ein Grund, Ihrer Ansicht nach?«
    Colei betrachtete mich so, als wäge er mit Sorge ab, ob mir das kommende überhaupt zuzumuten sei.
    »Daniele Sabricci... nun, er war homosexuell...«
    Ich verpasste meinem Gesicht einen betont gleichgültigen Ausdruck, als ich versicherte, dass mir das bekannt sei.
    »Tja, dann verstehen sie ja sicher...«
    »Ein schwuler Junge in einem Klosterinternat...?«, tappte ich durchs Dunkel.
    »Es verunsicherte uns!«, gab Colei unumwunden zu. »Ich will ja nicht sagen, dass wir Angst vor ihm hatten. Soweit würde ich nicht gehen, aber wir mieden seine Gesellschaft.«
    Es folgte ein gedehnter Schluck Tee.
    »Sie sagten, es war ungewöhnlich, dass sie von seiner... Homosexualität wussten...«
    Eifriges Nicken von Seiten Colei.
    »Was war denn so ungewöhnlich daran?«
    »Nun, solche Informationen weiterzugeben, gilt bei uns als übler Tabubruch. Für Sabricci hatte das zur Folge, dass er schon bald von den anderen isoliert war. Er verlor zum Beispiel seinen Zimmergenossen, man schloss ihn von gemeinsamen Aktivitäten aus...«
    »Und das fanden Sie richtig?«, fragte ich beherrscht. Das Gehörte tat weh.
    »Nein! Auf keinen Fall. Aus heutiger Sicht muss das eine entsetzliche Situation für ihn gewesen sein. Er hatte niemandem etwas getan. Und er konnte ja auch nichts für das, was er war, aber damals...«
    Ich ignorierte ungern den letzten Satz, als ich fragte: »Ja, damals?«
    »...Wir haben einfach nicht begriffen, was wir da taten. Und Daniele wurde ja auch immer eigenartiger...«
    »Inwiefern?«
    »Das ist schwer in Worte zu fassen. Aber es bestätigte sich unser Bild, dass wir von ihm hatten. Er zog sich in sich zurück, und er hatte auf einmal so was... ja, so was Fahriges an sich...«
    Ich wusste genau, was er meinte. Eigentlich hatte er es ganz gut beschrieben.
    »Wissen sie, woher damals alle Bescheid wussten?«
    »Nein!« Ein entschiedenes Kopfschütteln von Colei. »Aber jemand hätte gegensteuern müssen, das ist mir heute klar!«
    »Jemand?«
    »Sein Tutor beispielsweise. Es wäre die Pflicht seines Tutors gewesen, da einzugreifen und eine Lösung für das Problem zu finden. Käme ich heute in eine solche Situation, dann...«, für einen Moment verlor er sich in diesem Gedanken, ließ uns aber letztlich in Unwissenheit darüber, was er dann in einer solchen Situation ...
    »Hatte Daniele Freunde?«, nahm ich den Faden wieder

Weitere Kostenlose Bücher