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Der Herzberuehrer

Der Herzberuehrer

Titel: Der Herzberuehrer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jobst Mahrenholz
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tägliche Gotteslob statt...«, erfuhr ich ungefragt und betrachtete mit Skepsis das wenig einladende Gestühl, auf das er zeigte. »...Natürlich gehören Bibelstudie und Gebet zu unserem täglichen Ritus. Der Lehrplan, dem hier gefolgt wird, ist aber weltlich geprägt.«
    Wie willst ausgerechnet du das beurteilen - dachte ich, fragte jedoch, »...Und woran machst du das fest?«
    »Jede Schule in Italien folgt dem allgemeinen, gesetzlich vorgegebenen Lehrplan. Da spielt es keine Rolle, ob unter staatlicher, privater oder christlicher Leitung.«
    Wir hatten unseren Rundgang fortgesetzt, vorbei an Wandmalereien, Fresken und Reliefs, denen ich aber nur beiläufig Aufmerksamkeit schenkte.
    »Die christliche Werteerziehung ist hier ein Zusatzangebot, wenn sie so wollen.«
    Mein Begleiter zählte vielleicht gerade mal 15 Jahre, bestach durch ein offenherziges, freundliches Wesen, punktete mit einem ungemein sympathischem Lächeln und einer Stimme, die er vermutlich dem hauseigenen Knabenchor zu verdanken hatte.
    »Mein Name ist Dino Bufalino... ihr Begleiter...«, hatte er sich bei meiner Ankunft vorgestellt, weich und fromm dabei gelächelt, vermutlich um mich so in völlige Verwirrung zu stürzen.
    »Ich dachte eigentlich, dass...«
    »Ja, Padre Almetti versucht so schnell wie möglich bei ihnen zu sein. Er lässt sich entschuldigen.«
    Und nun, eine gute halbe Stunde später, ließ ich eben diese Führung über mich ergehen, statt den hiesigen Pater mit harten Fakten zu konfrontieren.
    »Was ist eigentlich...«, setzte ich unser Gespräch in der Kapelle fort, »...wenn hier jemand diesem christlichen Leitfaden nicht folgen will...«
    »Nicht folgen kann!« , korrigierte mich Dino mit ernstem Augenaufschlag. »Glaube ist keine Frage des Willens. Zum Glaube kann auch niemand gezwungen werden. Glauben heißt Wissen...«, verkündete er selbstsicher, sich dem Widerspruch seiner Worte offenbar nicht im geringsten bewusst. »Natürlich geschieht so etwas immer wieder, aber wie gesagt, niemand wird hier zum Glauben gezwungen«. Ein Lächeln in meine Richtung, und dann wiederholte er noch einmal: »Das geht ja auch gar nicht...«, so als müsse er sich dessen vergewissern.
    Ich versuchte es anders. »Daniele Sabricci, kanntest du den?« Es war an der Zeit, etwas konkreter zu werden.
    »Nein, aber wir sind auf dem Weg zu seinem 'Haus'.
    Offensichtlich war Dino Buffalino zuvor mit Instruktionen gefüttert worden. Nicht gerade überraschend, aber dennoch...
    »Sein Haus? «, fragte ich irritiert.
    »Ja, sein Haus! Die einzelnen Jahrgänge sind hier in unterschiedlichen Etagen und Gebäuden untergebracht. Das nennen wir 'Haus'. Auch, wenn es sich meist nur um ein Stockwerk handelt.«
    Aha.
    »Was weißt du über Daniele Sabricci?«, bohrte ich weiter.
    »Ich weiß nichts über Daniele Sabricci! Nur, dass er hier Schüler war, und dass er jetzt nicht mehr lebt. Deswegen sind sie doch hier, oder? Sie machen uns dafür verantwortlich, dass er sich das Leben genommen hat...« Er sagte das so gleichmütig, als würde ich dem Internat unterstellen, Blumen von den hiesigen Brücken zu streuen.
    »Ganz so ist es nicht...«, stellte ich klar. »Ich will herausfinden, was mit ihm passiert ist. Darum bin ich hier. Sagt dir »Padre Ado« etwas?«
    Dino war stehengeblieben, blickte scheinbar tief in sein Innerstes. Schließlich schüttelte er bedauernd den Kopf.
    »Nein, das sagt mir nichts. Es gibt hier keinen Padre Ado.«
    »Vielleicht vor deiner Zeit?«
    »Schon möglich. Aber da fragen sie besser Padre Almetti. Der wird das wissen!«
    Wir verließen die Kapelle und gelangten so in einen Garten, der etwas verborgen hinter einer mannshohen Natursteinmauer drei ocker getünchte Gebäude voneinander trennte. Eine schlichte, gepflegte Anlage, die von einigen Pinien gesäumt wurde. Auf unserem Weg begegneten wir ein paar Schülern, die uns freundlich zunickten. In ihren braunen Schuluniformen wirkten sie seltsam brav. Ich wusste aus eigener Erfahrung, wie sehr das täuschen konnte.
    »Sie treffen jetzt Toni Colei...«, erklärte Dino freundlich, während er mir die Tür zum mittleren Gebäude aufhielt. »...Er kannte Daniele Sabricci.«
    »Wer ist Toni Colei?«
    »Toni Colei ist Tutor der Oberprima in Haus zwei!«
    »Und woher kennt er Daniele...«
    »Daniele war zwei Klassen über ihm, aber im selben Haus. Lebt man im selben Haus, begegnet man sich...« Dinos Stimme hallte durch das steinerne Treppenhaus, während wir ohne Eile die Stufen

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