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Der Herzberuehrer

Der Herzberuehrer

Titel: Der Herzberuehrer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jobst Mahrenholz
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wiedermal kein Unbekannter war.
    »Dass ich die Adresse von Danieles Zimmergenossen bekommen habe.« Ich wedelte mit einem Zettel, den ich zuvor auf den Tisch gelegt hatte. Shiro nickte anerkennend.
    Damit stand einer Bestellung nun hoffentlich nichts mehr im Wege...
    ·
    Pietro Sivalla arbeitete in einer chemischen Reinigung im Stadtkern von Catanzaro. Er hatte sie von seinen Eltern übernommen, die zwei weitere Filialen in der Nachbarschaft betrieben. Das bedeutete vermutlich, dass sie vor Ort das Monopol für dieses Gewerbe innehatten, denn so groß war Cantanzaro nun auch nicht, als das es mehr als drei davon bedurfte.
    Die Luft in einer Reinigung raubt mir jedesmal den Atem. Schon als Kind hatte ich nicht verstanden, wie man in solchen Räumen überleben konnte. Für mich roch es giftig, so, als ströme aus einem verborgenen Schacht pausenlos eine geringe Menge gefährlichen Gases, geradeso dosiert, dass man nicht daran starb. Daher faszinierte es mich, dass es ganz offensichtlich Menschen gab, die dagegen immun waren. Das konnte nur bedeuten, dass man ihnen ein Gegenmittel gespritzt hatte, damit das funktionierte. Im Alter von fünf, sechs Jahren war ich davon fest überzeugt gewesen...
    Die Gerüche, die bei diesen rätselhaften Reinigungsprozessen entstanden, hatten etwas faszinierendes, fabulöses, etwas, das ich nicht einordnen konnte.
    Zog man zum Beispiel einem Hasen das Fell ab, so ließen sich allein am organischen Duft des Blutes und des Fleisches immer noch ganz eindeutig die berauschenden Aromen der Erde, des Waldes oder des Feldes ausmachen. Das innere Auge schuf Bilder, die die Fantasie anregten, die die Säfte im Mund zusammenfließen ließen - ein sinnlicher Prozess.
    Nach einem Besuch in einer chemischen Reinigung entsteht hingegen sofort der innige Wunsch in mir, sehr gründlich den Mund auszuwaschen, um diesen eigenartigen, technisch-bitteren Geschmack loszuwerden. Beißend irgendwie...
    Als ich nun mit einigem Schwung die aluminiumgerahmte Glastür geöffnet und jenen schnarrenden Signalton vernommen hatte, der hier die Kundschaft ankündigte, und als mir dieser synthetisch-scharfe Geruch der chemischen Reinigungsessenzen unmittelbar und mit immenser Wucht in die Nase gestiegen war, da tauchten all diese Bilder meiner Kindheit vor meinem inneren Auge wieder auf. Mit einem Schlag.
    Ich schluckte trocken.
    »Komme sofort, einen Moment bitte!«
    Ich sah mich um, fing Shiros Blick ein und musste lächeln. Im Grunde spiegelte seine spröde Mimik mein Empfinden wider. Skeptisch betrachtete er die in Plastikfolie gehüllten Kleidungsstücke, die wie Leichensäcke an blitzenden Chromstangen hingen, alle fein säuberlich mit einem kleinen Etikett versehen, so wie man das von den Zehen aus der Fernseh-Pathologie her kannte. Die Säcke trennten den vorderen Teil des Ladens vom hinteren, jenem Bereich, in dem all das Rätselhafte geschah, was diese gedankliche Kettenreaktion ausgelöst hatte, und sie begannen sich zu bewegen, als Pietro Sivalla auftauchte, um unsere Wünsche entgegen zu nehmen.
    Es musste sich um Sivalla handeln. Dafür sprach sein Alter.
    »Ja bitte?«, fragte er mit einem zuvorkommenden Lächeln, das abwartend zwischen Shiro und mir pendelte.
    »Wir sind Freunde von Daniele Sabricci...«, eröffnete ich, ohne groß zu überlegen, dem ein verstörtes Flackern in seinen Augen folgte. »...und wir hätten da ein paar Fragen an Sie...«
    ·
    »Ja, stimmt, ich habe 'Ele gemocht...«
    Wir saßen in einem Café um die Ecke, eine Idee von Sivalla. Wir hatten ihn praktischerweise kurz vor Ladenschluss erwischt, und so war es ihm möglich, tatsächlich eine halbe Stunde für uns zu erübrigen. Vor allem aber: Er war auch bereit dazu, von seiner Zeit mit Daniele zu erzählen.
    »'Ele war ein netter Kerl...«, beschrieb er, während das zweite Zuckertütchen in seinem Espresso verschwand, »...aber er war schon anders als wir anderen...«
    »Wie meinst du das?« Wir hatten uns darauf verständigt, uns mit Vornamen anzureden.
    »Nun, er blieb für sich. Er war immer freundlich, eckte nie an, aber trotzdem kam man nicht an ihn heran. Er machte dicht.«
    »Ihr habt euch immerhin ein Zimmer geteilt...«
    »Ja, zu Beginn. 'Ele kam mitten im Schuljahr. Das war ungewöhnlich. Normalerweise machen die das im San Noicola nicht. Aber bei Daniele habe sie eine Ausnahme gemacht. Weiß der Himmel warum...«
    »Ihr seid dann auseinandergezogen.«, hakte ich nach. »...Wieso, wenn ihr euch gemocht habt?«
    »Das

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