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Der Herzberuehrer

Der Herzberuehrer

Titel: Der Herzberuehrer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jobst Mahrenholz
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- wir waren es Daniele schuldig, fand ich...
    ·
    Gini Cargo Ltd. war völlig zugeparkt.
    Eine ganze Reihe mehrachsiger Lastwagen mit dem blauen Elefanten-Logo verdeckte die Betonrampe und damit auch die verglaste Blechfassade des Gebäudes. Ob das nun ein gutes oder schlechtes Zeichen war, konnte ich nicht einschätzen, da aber niemand sonst zu sehen war, schätzte ich - eher ein schlechtes.
    Ich parkte den Van im Schatten des Gebäudes, stieg aus und sah mich um. Kein Mensch weit und breit. Es war auch niemand zu hören. Ich ging um den Wagen herum und öffnete die Beifahrertür.
    »Was ist? Kommst du...?«
    »Ich kann doch hier warten...« Wie um seine Worte zu unterstreichen drehte er das Palaver im Radio lauter, sah betont ausdruckslos durch die Frontscheibe und betrachtete die Ödnis vor sich.
    »Guut... wie du willst...« Etwas genervt schlug ich die Tür wieder zu und schickte mich an, die schmale Stahltreppe hinaufzusteigen, als Pius mich auf der Rampe abfing. Er sah gestresst aus.
    »Ich hab dich kommen gehört...«
    »Kein Wunder...«, begrüßte ich ihn mit einem Lächeln, »...Ist ja ziemlich tot hier...«
    »Was daran liegt, dass die Mautkassierer streiken...« Seine Arme gestikulierten eigenartig hektisch hin und her, was ich so noch nie bei ihm beobachtet hatte. »...Ich frage dich: was können wir dafür, wenn die zu wenig Lohn kassieren? Aber für uns hängt unsere Existenz von pünktlicher Lieferung ab...«
    Er klang regelrecht verzweifelt, was ich gut verstehen konnte.
    »...Lucio tobt...«, sagte er etwas verhaltener und nun verstand ich wirklich. »...aber komm rein...«
    Sehr verlockend.
    Doch der kahlköpfige Lucio war viel zu beschäftigt damit, jemanden lautstark am Telefon zusammenzufalten, als uns auch nur eines Blickes zu würdigen. Also gingen wir rasch in das hintere Büro, schlossen die Tür und sahen uns erleichtert in die Augen.
    »Er ist ja eigentlich ganz süß...«, versicherte Pius mir. »...aber in solchen Momenten...«
    Ich stellte mir Lucio in 'süß' vor, sagte aber nichts dazu.
    »Die Fotos...«, erinnerte er sich, griff einen breiten Umschlag von seinem Schreibtisch und reichte ihn mir.
    »War 'ne heiße Party, damals...«
    Was ich sah gab ihm Recht. Sex on the Beach traf es schon ziemlich gut.
    »...Hawaii-Boy?«, fragte ich und musste lächeln, wie Pius da mit irgend welchen Badehosen-Typen vor der Kamera posierte. Er nickte. »...Genau... Die Blumengirlande hatte ich noch. ...Und da... ja, da... Shiro!«
    »Wow...«
    »Pearl Harbor - Japanischer Soldat. Coole Idee, oder?«
    Zumindest der Anblick.
    Shiro trug sehr kurze Camouflage-Shorts, die durch einen breiten Ledergürtel auf seiner Hüfte gehalten wurden, einen graugrünen Stahlhelm, einen Patronengurt, den er quer über der nackten Brust trug und halbhohe, ziemlich abgewetzte Militärstiefel - sonst nichts. Für Jungs, die auf Uniform standen, musste sein Anblick unwiderstehlich gewesen sein.
    Sein breites Grinsen strahlte mich an, ebenso wie das etwas verhaltenere von Daniele, über dessen Schulter er seinen linken Arm gelegt hatte.
    Daniele - vermutlich der einzige auf dieser Party, dessen Oberkörper völlig bedeckt war - hatte sich für ein klassisches Matrosenoutfit entschieden. Das sah angesichts seines beinahe kindlichen Äußeren schon irgendwie speziell aus, noch dazu in Umarmung mit dem 'japanischen Soldaten'. Die ganze Szenerie hatte etwas eigenartig Surreales, fand ich. Und sie traf mich ins Herz. Ein schönes Paar, die zwei.
    »Ja... und das...«, tippte Pius bedeutungsvoll auf den Umschlag, während ich, noch ganz versunken in den Anblick der beiden, schon das nächste Foto hervorgezogen hatte.
    »...Das ist Adriano... Adriano - das Krokodil...«
    Für einen kurzen Moment stutzte ich irritiert, beim Blick auf den Typ, aus dessen Lenden ein dunkelgrüner Krokodilkopf ragte. Dann legte ich den Umschlag beiseite und führte das Bild näher an mein Auge, so, als ob ich es dann deutlicher erkennen konnte.
    » Das ist Adriano?«, fragte ich wie aufgezogen.
    »Ja, klar... und sein Krokodil! Schräg, wie? Du kannst dir schon denken, wie's funktioniert, oder? Wie es dich frisst?«
    Das konnte ich in der Tat, und unter anderen Umständen hätte ich sein Kostüm vielleicht sogar ganz witzig gefunden. Nicht aber in diesem Moment.
    »Ich muss telefonieren...«, hörte ich mich sagen, leise, irgendwie belegt, und ich erinnerte mich schlagartig daran, dass ich mein Handy mit der entscheidenden Nummer im Wagen gelassen

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