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Der Herzberuehrer

Der Herzberuehrer

Titel: Der Herzberuehrer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jobst Mahrenholz
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Bächen über meinen Nacken den Rücken hinablief. Ich hörte auch die Stimmen, die um mich herum weiter sprachen, nur noch am Rande, oder das Prasseln des Regens auf der Motorhaube des Mercedes.
    Ich strich behutsam über die freigelegte Wange und sah in das unglaublich schmale Gesicht unter mir.
    »Bringen wir ihn rein...«, hörte ich mich durch den Regen sagen, und »...Nein, nein, zu mir!«, als sie ihn in den Gästetrakt bringen wollten. »...Ich kenne ihn...«
    ·
    Er hatte abgenommen. Sehr abgenommen. Sein Körper lag so mager vor mir, dass es mich schmerzte, ihn anzusehen. Ein weißes Baumwollhemd klebte wie eine zweite Haut an seiner Brust. Rippen, Schultern und Schlüsselbein zeichneten sich deutlich durch den dünnen, nassen Stoff ab.
    Als ich vorsichtig begann, ihm das Hemd auszuziehen erstarrte ich.
    Da waren Verletzungen, wie ich sie gerade erst zu Gesicht bekommen hatte. Vernarbungen in der Taille und, wie sich zeigte auch an Rücken und Bauch.
    »Verbrennungen!«, dozierte der Zahnarzt sachlich, während er die Pupillen mit einer kleinen Taschenlampe untersuchte, die er aus seinem Sakko gezogen hatte.
    Ich kannte diese Haut noch makellos, von dem Piercing in seinem Bauchnabel einmal abgesehen.
    »...Eindeutig Drogenkonsum. Dafür spricht so einiges. Sie sagen, sie kennen ihn?«
    Mein Auge tastete den Körper ab, der mir so vertraut war - und nun so fremd.
    »Ja...«, antwortete ich dünn, »...Aber nicht so...«
    »Er sollte wohl am besten in eine Klinik. Da müssen die abklären, was er eingenommen hat und, wenn nötig, eine Entgiftung einleiten. Na, und einen Rundumcheck veranlassen. Hepatitis, HIV, das ganze Programm.«
    Ich nickte mechanisch, ohne meinen Blick von Shiro zu wenden. «Darum kümmere ich mich.«
    »Sehen Sie zu, dass sie nicht mit seinem Blut in Berührung kommen. Tragen sie Handschuhe.«
    Blut, Handschuhe...
    »...Ich lasse ihnen welche da. Habe welche im Handschuhfach. Und ich muss dann mal los. Kann hier jetzt eh nichts mehr tun, und meine Frau wartet im Wagen...«
    Ich bedankte mich und bat Claudio, ihn zum Auto zu begleiten.
    Adalgiso betrachtete mich ernst. «Woher kennst du ihn?«, fragte er leise, aber ich hörte aus seiner Stimme heraus, dass er sich schon so seine eigenen Gedanken gemacht hatte.
    »Könntest du den anderen sagen, dass sie weitermachen sollen und mich bei ihnen entschuldigen.«, bat ich ihn, ohne auf seine Frage weiter einzugehen.
    »Klar, natürlich... tut mir leid, ich...«
    »Danke...«
    Nachdem er die Tür hinter sich ins Schloss gezogen hatte, begann ich ganz, ganz vorsichtig den Körper weiter auszuziehen. Eine Handlung, die ich nicht zum ersten Mal an ihm ausführte. Doch noch niemals hatte ich so etwas wie Angst dabei empfunden. Unter der durchnässten Jeans verbargen sich knochige Beine, und auch an ihnen waren einige unwesentliche Verletzungen auszumachen.
    Behutsam trocknete ich Körperpartie für Körperpartie und je länger ich dieses tat, umso fassungsloser wurde ich über den Zustand dieses Menschen, von dem ich einst glaubte, ihn in- und auswendig zu kennen.
    Seine Haut hatte ihren Glanz verloren, wirkte blass und spröde. Das, was ich einst als elastisch und verführerisch empfunden hatte, lag nun hölzern und gebrochen vor mir.
    Spitze Beckenknochen, eine eiternde Wunde im Bauchbereich, verschorfte Flächen an Rücken und Seite. Selbst sein Haar wirkte kraft- und leblos.
    »Was hat man bloß mit dir gemacht.«, fragte ich tonlos in den Raum, während ich mit einem Lappen über seine Stirn strich. Er hatte zu schwitzen begonnen, aber sein Atem ging ruhig und gleichmäßig. Ab und zu durchzog ein Zittern den Körper, also begann ich mich mit dem Säubern zu beeilen, um ihn rasch zudecken zu können.
    Ich hatte ihn in Fabios Zimmer bringen lassen. Er war eh für Wochen unterwegs.
    Irgendwann dann klopfte es an der Türe und Chip kam herein, brachte mir einen Teller Pasta und eine Flasche Wein. Sie gingen davon aus, dass ich den Raum sobald nicht mehr verlassen würde, und sie hatten Recht damit.
    Er brauchte mich jetzt. Möglicherweise hatte er mich noch nie so sehr gebraucht, wie in dieser Nacht...
    ·
    »Ja, ich kenne so einen - und diskret ist er auch. Sag mir nur, wofür?«
    »Geht nicht. Aber kannst du kommen? Bitte...«
    Ein kurzes Zögern in der Leitung, dann ein unterschwellig genervtes » Äh, ja, na gut, gib mir zwei Stunden" , und Jack hatte aufgelegt.
    Ich war von seiner Reaktion etwas enttäuscht, wusste aber auch, dass ich mich

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