Der Herzberuehrer
den Geruch und die entstandenen Bakterien aus dem Holz zu bekommen.
Eine widerliche Arbeit, gerade für einen Koch, der einfach gelernt hatte, unter welchen Umständen sich Küchenbiotope bildeten und zu was diese dann in der Lage waren.
Im Anschluss reinigte ich mir gründlich Hände und Nägel, verließ den Raum und machte mich auf die Suche nach Daniele. Hier lief was schief und zwar so richtig.
Ich fand ihn auf dem Bett, unter einer Decke vergraben. Nur sein rehbrauner, glatter Schopf schaute zwischen zwei Kissen hervor.
Auch hier hielt sich ein säuerlicher, abgestandener Geruch, der aber in keinem Verhältnis zu dem in der Küche stand.
Ich zog die roten Vorhänge beiseite, öffnete die Fenster und klappte die Läden nach außen, um ebenfalls frische Luft rein zu lassen. Und ich ignorierte die schwachen Proteste unterhalb der Decke.
Schließlich setzte ich mich neben ihn auf die Matratze und strich vorsichtig über die Stelle, an der ich seinen Rücken vermutete.
»Was ist los, Daniele...«, versuchte ich es leise, »...Was ist passiert?«
Er antwortete nicht, aber als ich einen Blick auf das Laken werfen konnte, wusste ich bescheid. Ohne zu zögern zog ich ihm die Decke mit einem Ruck von seinem Körper und sah in all den rotbraunen Flecken meine Befürchtung bestätigt.
»Scheiße, was soll das?«, wehrte er sich, um sich schlagend.
»...Das frag ich dich... Verdammt, was soll das hier. Du bringst dich noch um mit so was...«
»Quatsch! Totaler QUATSCH! Ich hab’s unter Kontrolle...« Er schlug meine Hand weg, die ich abwehrend vor meine Brust gehalten hatte. »...Völlige Kontrolle, verstehst du? Das hast du doch gesehen. Ich hab’s dir doch gezeigt, dass ich das unter Kontrolle habe...«
»Die Kontrolle, du Irrer...«, schrie ich wutentbrannt und verzweifelt zugleich, »... Du weißt doch gar nicht was das ist, Kontrolle!«
Einen Augenblick lang starrte er mich nur an, hasserfüllt, wie zum Sprung bereit, doch einen Moment später begann sein Blick zu flackern und dann, dann stellte er mir genau jene, verhängnisvolle Frage, mit der ich wirklich niemals gerechnet hätte, in diesem Moment.
»...Übernimmst du sie...?« Seine Augen waren groß und klar, und als er erkannte, dass ich mit seinen Worten nichts weiter anfangen konnte, lächelte er unerwartet charmant und ergänzte ganz leise: »...Die Kontrolle, verstehst du? Kannst du sie für mich übernehmen...?»
Die Kontrolle also.
Da hatte ich mir was eingebrockt.
·
»Du musst in eine Klinik...«
»...Keine Klinik...«
»Aber wenn du so...«
»Keine Klinik!«
Daniele saß in der Badewanne und ließ heißes, viel zu heißes Wasser über seinen Rücken laufen. Ich saß auf dem Klodeckel und beobachtete ihn ratlos. Die verkrusteten Stellen an seinem Körper und unter seinen Finger- und Fußnägeln begannen sich langsam aufzulösen und mit dem von mir verordneten Bad schien sich auch sein Gemütszustand allmählich zu beruhigen.
»Gut, also keine Klinik.«
»Keine Klinik...«, bestätigte er nochmals nickend und tauchte dann unter, so dass nur noch seine Knie aus dem Schaumbad ragten. Zerstochene, verbrannte Knie.
Nach einer gefühlten Ewigkeit zog ich ihn genervt wieder an die Wasseroberfläche und hielt ihm ein Handtuch hin.
»Kannst du mal zehn Minuten damit aufhören...?«
»Womit?« Er klang wirklich erstaunt.
»...Immer ans Limit zu gehen. Immer gehst du bis an die Grenzen.«
»...Das... das ist doch gut. Zu wissen, wie weit man gehen kann...« Er versuchte ein zaghaftes Lächeln.
»Nur dass du sie überschreitest, Daniele. Du tust dir weh dabei. Dir und anderen. Ja merkst du das denn nicht? Du zerstörst. Du machst kaputt...«
Er sagte nichts, sah mich nur groß an, staunend fast, so, als hätte ich ein größeres Problem und nicht er.
Doch dann, viel später, am Nachmittag, stellte er mir wiederum eine einzelne Frage, ganz beiläufig, fast unhörbar leise. Eine Frage, deren ganze Tragweite sich wie ein Ozean in mir öffnen sollte, und plötzlich begriff ich es. Zumindest ein Stück weit verstand ich jetzt, in was für einer verzweifelten Situation er sich befand.
»Luca...“, fragte er mich, und sein Lächeln wirkte aufrichtig interessiert, „...spürst du dich eigentlich manchmal...?"
·
Jack übernahm das L'amo noch am selben Abend.
Erstaunlicherweise hatte Daniele es tatsächlich fertig gebracht, eine gut funktionierende Bar zurückzulassen, bevor er in seine selbstzerstörerische Versenkung abgetaucht war. Da
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