Der Herzberuehrer
passiert war, im letzten Jahr. Noch an diesem Abend bekäme ich Antworten.
Ich hoffte, dass mir das weiter half...
·
Ich fand ihn in der Küche.
Er amüsierte sich scheinbar großartig mit Adalgiso, der gerade seine Pause machte, während die anderen wie gewohnt ihrer Arbeit nachgingen.
»Du hier? Am freien Abend...?« Orlando schob seine Kochkappe etwas nach hinten und sah mich, wie all die anderen, mit einem überraschten Ausdruck an, der beinahe unmittelbar ins Erschrockene wechselte.
Mein Befinden strahlte offensichtlich direkt nach außen.
Ich warf den Versuch eines Lächelns in die Runde, der einfach nur so zu verpuffen schien. Also wand ich mich direkt an Shiro.
»Kann ich dich sprechen... bitte?«
»...Klar... sicher...«
Ohne ein weiteres Wort verließ ich die Küche über die Terrasse und wartete.
»Was stimmt nicht...?«, fragte er besorgt, nachdem er mir gefolgt war. »...Habe ich irgendetwas...«
»Setzen wir uns...«
Ich bezweifelte, ob dies nun der richtige Ort für das hier war, aber in diesem Moment war es mir auch egal. Ich wollte jetzt einfach nur vorankommen.
»Was ist los, Luca? Du bist ja total fertig...«
»Das stimmt«, antwortete ich wahrheitsgemäß.
»Aber... weswegen...?«
»Daniele«
»Daniele?«
Die Verblüffung in seinem Gesicht war beinahe greifbar, was zur Folge hatte, dass ich plötzlich überhaupt nicht mehr wusste, wie ich weitermachen sollte, so entwaffnend offen war sein Gesicht.
»Daniele ist verschwunden...«, sagte ich rasch und hörte betroffen die Panik aus meiner Stimme heraus.
»Und?« Shiro schien nicht zu begreifen, was ich damit sagen wollte. »Das war doch dein Ziel. Du wolltest ihn loswerden. Das hast du geschafft«. Und dann lächelte er weich, so als hätte er verstanden, was ich ihm damit sagen wollte. »...Danke...« Etwas Zärtliches lag in seinen Augen.
Ich schüttelte mit dem Kopf.
»So ist es aber nicht... Es ist nicht wie du denkst. Ich mache mir Sorgen«
»Sorgen?«
»Shiro! Hat Daniele dich wirklich, wirklich jemals verletzt...?«
Ich sah, wie seine Augen ins Ungläubige wechselten, wie sich seine Stirn in drei Falten teilte. Ich sah, dass er erkannte, dass er nun im Begriff war, zu begreifen, dass es in diesem Moment um etwas ganz anderes ging als er vermutete und dass Dinge passiert waren, von denen er nichts wusste, nichts wissen sollte...
»Nochmal...«, sagte er nur knapp, so als ob er sich verhört hätte.
»Hat Daniele dich wirklich verletzt, damals... Ich muss das wissen Shiro...«
·
Ich bekam keine eindeutige Antwort an diesem Abend. Und im Nachhinein war auch klar, weshalb.
Dort, am Tisch jedoch, begriff ich ihn einfach noch nicht, verstand nicht, was er mir sagen wollte. Denn im Grunde hatte er mir nichts zu sagen. An die letzte Zeit, die letzten Wochen, konnte er sich einfach nur ganz vage erinnern. Da war ein dunkler, sehr dunkler Raum. Kurze Streiflichter. Ab und zu eine Stimme, voller Vorwürfe, immer nur Vorwürfe. Und Beschimpfungen. Kurze stechende Schmerzen kamen dazu, mal längere, tiefergehende oder welche, die über Tage hin pochten, und viel, viel Hunger. Es war das erste Mal, dass er sich diese Zeit gedanklich zurückholte, aber eigentlich existierte sie für ihn nicht wirklich. Eher wie ein düsterer, nicht enden wollender Traum. Dies war mit ein Grund, warum er kaum dazu in der Lage war, darüber zu sprechen. Es fiel ihm so unendlich schwerer dies zu tun, eben weil sich keine konkreten Bilder einstellen wollten. Schließlich sah er mich einfach nur sehr lange an. Und in seinem Blick lag so viel Widersprüchliches, dass ich Mühe hatte, ihm stand zu halten.
»Er wurde immer komischer...«, sagte er irgendwann tonlos in die Nacht.
»Daniele...?«
»Daniele!...So dass ich manchmal wirklich Angst bekam. Nicht nur um ihn, verstehst du? Sondern auch um mich...«
Ich verstand ihn nur zu gut.
»Es war, als riss er alles in einem Sog mit sich. Er wurde immer stärker und ich immer schwächer. Ich verpuffte einfach in seiner Nähe. Also habe ich ihm klargemacht, dass ich ihn verlassen würde, weil es einfach nicht mehr ging. Da ist er völlig ausgerastet. Nicht zu bändigen...«
»Du hast ihm gesagt, dass du ihn verlassen wirst?«
»Es ging einfach nicht mehr...«
»Klar, das hat ihm den Boden unter den Füßen weggezogen. Du warst irgendwie seine Brücke zur Realität«.
»Kann sein. Es war der reinste Horror«. Er strich sich seine Haarsträhne aus der Stirn und betrachtete mich fordernd. »Du
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