Der Herzberuehrer
ließ sie unsere kleine Gruppe erneut wissen. Ein Blick zu Sebastian zeigte mir, dass er es scheinbar gelernt hatte, mit ihrer Art umzugehen. Er wirkte nicht im Geringsten irritiert von ihrem Auftritt.
Und erst jetzt nahm ich Sebastians Vater war. Manuel hieß er glaube ich, die Tischkarten vor Auge. Er hielt sich etwas im Hintergrund, schien eher abwesend, in ein leises Gespräch mit Alda vertieft, was ihn mir erst einmal sympathisch erscheinen ließ. Typ Einzelgänger vermutete ich in einem Anflug von Mitgefühl. Mir wurde klar - das würde ganz sicher ein spannender Abend.
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Cesare betrieb sein Restaurant ebenso wie ich, nicht direkt an der Küste, sondern auf einer Anhöhe, von der aus man einen sagenhaften Blick über die Stadt hatte.
Die Fahrt dorthin verbrachte ich damit, mir vorzustellen, wie wohl die kommenden Tage verlaufen würden. Da wir mit dem Spider gekommen waren, blieben Fabio und ich auf dieser Strecke unter uns.
Wir redeten kaum. Im Player lief 'Twin Peaks'. Eines meiner Lieblings-Alben in der Nacht. Ich spürte, dass Fabio sich nicht wirklich wohl fühlte, aber darüber zu sprechen war auch nicht seine Art. Vermutlich wollte er mich einfach nicht damit belasten.
Und so fuhren wir schweigend mit gemäßigtem Tempo in die Dämmerung, während die anderen unseren Rücklichtern folgten.
Von Sebastians Familie wurden nur seine Eltern und zwei Tanten erwartet, beides Schwestern von Claudia. Na, das konnte ja nett werden. Vor allem graute es mir vor dem Zusammentreffen der beiden Mütter. So gut konnte ich Valentina noch einschätzen: Frauen vom Kaliber Claudia bürstete sie in Null-Komma-nichts auf Links. Mit Vergnügen. Gottesfurcht und Krebsfraß mal beiseite gelassen.
Valentina hasste Geltungssucht.
»Ich mag Rebecca...« Fabio sprach leise, die Lichtkegel vor uns auf der Straße beobachtend.
»Freut mich...«
»Sie hat Ähnlichkeit mit dir...«
Das hatte bisher noch nie jemand festgestellt, und offen gestanden, mir behagte der Gedanke auch nicht sonderlich - so gerne ich sie mochte.
»Wo sollten wir Ähnlichkeiten haben...?«, fragte ich daher wenig freundlich.
»Nicht optisch oder so, aber vom Wesen ...« Er löste seinen Blick von der Straße und begann mich abschätzend von der Seite zu betrachten, Maß zu nehmen, wie es schien. »So wie du auf Leute zugehst, so macht sie es auch...«, antwortete er schließlich. »...Sie ist erst einmal offen. Nimm mich zum Beispiel...« Jetzt hörte ich ihn lächeln, »...Sie ist völlig unvoreingenommen auf mich zugegangen. Keine Verlegenheit, nichts. Aber trotzdem freut sie sich auf Shiro. Das hat sie mir gegenüber sogar erwähnt. Das fand ich schon irgendwie... speziell, ja, sehr offen auf eine Weise...«
»Und so bin ich? So... speziell...?«
»Ja. Irgendwie schon. Gerade was Shiro angeht...«
»Ah, ne, nee. Da irrst du dich. Shiro wird zum Beispiel bei der Feier nicht dabei sein... dafür habe ich gesorgt.«
»Ach, nicht?« Er klang ehrlich erstaunt. »Und wieso nicht?«
»Deinetwegen mein Hase. Ich hab ihn für die Küche eingeteilt.«
»Oh...«
»Da siehst du mal...«
»Da hast du dann aber was falsch verstanden, Luca. Verwechsele mich nicht mit dir. Du bist es, der ihn los sein will. Ich wundere mich immer nur über all das, da oben, auf deinem Berg...«
»Wieso falsch verstanden? Du hast immer wieder nachgebohrt«. Irritiert drehte ich die Musik leiser »...Außerdem war der Abschied von Shiro und meinen Eltern auch nicht gerade Wunschkonzert...«
»Schon klar, aber trotzdem...«
Ich ging vom Gas, lenkte den Wagen durch die schwach beleuchtete Einfahrt des Cesare und hielt nach einem Parkplatz Ausschau.
»So wie es ist, ist es gut. Glaub mir...«, sagte ich etwas genervt, als ich die Tür des Wagens zuschlug und meinen Blick über den Hof wandern ließ, auf der Suche nach den anderen. »Lass uns erst mal diesen Abend überstehen...«
Ich fühlte mich durchschaut, und das mochte ich gar nicht...
·
Das Sebastian Cabarese mit der Bindung zu meiner Schwester am morgigen Hochzeitstag einen kapitalen Fehler begehen würde, daran ließ seine Mutter an diesem Abend nicht den Hauch eines Zweifels. Zwar äußerte sie sich kein einziges Mal abfällig gegenüber Rebecca oder unserer Familie, soviel Geschick besaß sie dann doch. Sie verdeutlichte einfach nur, was ihr Sebastian für ein Leben hätte weiterführen können, wenn nicht...
Ja, wenn nicht!
Ich versuchte mir zwischen Heilbutt und Lamm so ein Optikerleben ohne Rebecca
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