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Der Herzberuehrer

Der Herzberuehrer

Titel: Der Herzberuehrer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jobst Mahrenholz
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Nettigkeiten aus und versicherten uns gegenseitig einer gewissen Aufgeregtheit, die wir vor dem bevorstehenden Ereignis als gegeben einstuften.
    Auf diese Weise versäumte ich beinahe die Ankunft jenes Wagens, auf dessen buntgewürfelte Insassen ich schon seit den Morgenstunden sehnsüchtig gewartet hatte. Denn ich wusste - sie hatten schon am gestrigen Abend ihre Zimmer in Busalla bezogen.
    Gino, Pietro und Tangoqueen Rosalina waren eingetroffen, die Küchencrew des D’Agosta. Meine alten Kollegen. Meine Freunde...
    Jeder kennt das. Es gibt Menschen, da spielt es keine Rolle, wie lange es her ist, dass man sich gesehen hat. Alles ist sofort wie immer. Und so fielen wir uns in die Arme, lachten und redeten miteinander, als wären wir gestern erst auseinander gegangen.
    Dann stieg Anna aus dem Wagen, und ich erstarrte, denn erschrocken stellte ich fest, dass ich sie bis dahin überhaupt nicht vermisst hatte. Ich war wie vor den Kopf geschlagen. Irgendwie hatte ich meine jüngste Schwester einfach vergessen. Ganz simpel - vergessen. Und ihr aufgeregtes Lächeln, dass sie mir beim Aussteigen aus dem Wagen zuwarf erstarb, denn sie erkannte sofort, dass es genau so war. Ich hatte sie einfach vergessen...
    ·
    Das Problem mit Anna war folgendes: Sie war gerade mal dreizehn, als ich Fano verlassen hatte, und all die Jahre zuvor war sie mir eigentlich nur auf die Nerven gegangen.
    Hing ich in meinem Einzelgänger-Dasein eigentlich nur dem Traum vom Kochen nach, so lebte Anna damals all das aus, was Mädchen ihres Alters eben so auslebten. Das war ja soweit okay, nur wollte es das Schicksal, dass ich die Aufgabe übertragen bekam, nach der Schule auf sie aufzupassen. So wurde es beschlossen, ob mir das nun passte oder nicht. Sie liebte mich dafür. Ich hingegen begann sie zu hassen.
    In meinen Augen nahm sie mir einfach alles weg, was mir wichtig war. Alles. Meine Zeit, meine Ruhe, und vor allem - meine Küche. Ständig hing sie wie eine Klette an mir, und ununterbrochen überredete sie mich mit ihrer enervierenden Art zu all den Spielen, den Ideen, die sie so hatte. Und in der Regel schaffte sie das auch. Schlicht weil es einfacher war, ihr nachzugeben, als ihrem Gequengel ständig etwas entgegenzusetzen.
    Diese Anna, die nun aus dem Wagen stieg, hatte nichts mehr mit dem nervigen kleinen Mädchen zu tun, dass ich in Erinnerung hatte. Sicher, mir war klar, dass sie sich im Laufe der Jahre verändert haben musste und ein, zwei Mal waren wir uns ja auch begegnet, zwischenzeitlich, doch auch diese Begegnungen lagen mindestens zwei Jahre zurück.
    Anna war oder wurde siebzehn. So genau wusste ich das nicht mehr.
    Und sie war nicht mehr meine kleine Schwester.
    Ganz gewiss nicht.
    An diesem Morgen nun begegneten wir uns wieder. Und zum ersten Mal geschah dies auf Augenhöhe.
    Wir hielten Distanz. Ich im geschützten Kreis meiner Freunde, sie in dem der Familie, die sie begrüßend in die Arme schloss, aber wir gaben uns durch Blicke zu verstehen, dass es an der Zeit war, aufeinander zuzugehen. Doch wir mussten uns erst einmal kennenlernen. Das war uns beiden glaube ich, schlagartig klar, an diesem Morgen.
    Und zum ersten, allerersten Mal war ich so etwas wie neugierig auf meine 'kleine' Schwester.
    ·
    Das Haupt-Zeremoniell, die Trauung in der Kapelle, war auf 14 Uhr angesetzt. So blieb denen, die nicht schon am Vorabend in Busalla angekommen waren, genügend Zeit, mit dem Shuttlebus oder direkt zu uns zu kommen.
    Dann, so gegen halb zwölf, wurde es ernst.
    War es mir schon schwer gefallen, Valentina und Antonio gegenüberzutreten, so erschien es mir bei Tomaso und Giade fast unmöglich. Ich fand sie beide, ja, abstoßend. Giade aufgrund ihrer kriecherischen, selbstgerechten Art, Tomaso einfach für seine großspurige Dummheit.
    Mein Bruder hatte sich wohl was gegönnt. Zumindest kannte ich das schneeweiße Audi-Coupe noch nicht, mit dem er vorfuhr. Mir missfiel schon die Art, wie er bremste.
    »Das...«, sagte ich leise zu Claudio, der mich beim Empfang der Gäste unterstützte, »...Ist das größte Arschloch, mit dem wir es heute zu tun bekommen. Lass dir nichts gefallen...«
    Klar, es war nicht besonders professionell von mir, schon im Vorfeld die Mitarbeiter gegen Gäste aufzuhetzen, aber ich konnte einfach nicht anders. Und ich hielt es auch für richtig, sie zu warnen. Es war gut möglich, dass Tomaso an ihnen seine Launen ausließ, nur weil er mich nicht ausstehen konnte.
    Der Auftritt der beiden verlief jedoch komplett

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