Der Herzberuehrer
anders als erwartet.
Giade stürzte kalkweiß aus dem Wagen und erbrach sich erst einmal in die Büsche. Es folgte ein sichtlich genervter Tomaso, der mir einen kurzen, mürrischen Blick zuwarf, welcher aber weniger auf mich, als vielmehr auf die Spontanentleerung Giades gemünzt war.
»Sie verträgt die Serpentinen nicht...«, klärte er mich auf, als ich meine Hilfe anbot. Dem Geruch nach, der dem Wagen entströmte, war ihnen diese Erkenntnis nicht erst vor ein paar Minuten gekommen.
»Ich lasse ihr einen Tee mit Fenchel und Kümmel zubereiten...«, schlug ich vor.
»Das wäre nett von dir...«. Er zog ein Taschentuch aus seinem Sakko und reichte es ihr. »...Und heißes Wasser für die Sauerei da drin, wenn möglich.« Er zeigte auf seinen Wagen. Ein Blick zu Claudio reichte, um zu sehen, dass er alles mitbekommen hatte und bereits unterwegs war, um die Wünsche zu erfüllen.
»Sind die anderen schon da?«
»Wenn du Valentina und Antonio meinst, ja. Sie sind vor einer halben Stunde angekommen«.
»Gut...«. Er nickte wie zu sich selbst, umfasste dann Giades Schulter und half ihr auf. Ihr Gesicht wirkte grotesk. Die aufgetragene Schminke war durch Tränen und Erbrochenes völlig verschmiert, dazu ihre Leichenblässe. Es trug schon bizarre Züge. Der 'Joker' aus 'Batman' war eingetroffen...
»Das Beste ist...«, sagte ich so mitfühlend es mir eben möglich war, »...wenn du dich vielleicht erst mal für ein, zwei Stunden hinlegst. Ihr habt die Neun, ein schönes Zimmer...«
Ein gespenstisches Lächeln ihrerseits, das zwischen so etwas wie Dankbarkeit und Scham jonglierte, signalisierte mir, dass dies als eine gute Idee empfunden wurde.
»Ich lasse das Gepäck und den Tee dann rauf bringen«.
Mit dem »Danke Luca«, das Tomaso mir daraufhin zukommen ließ, hatte ich nun wirklich nicht gerechnet.
·
»Sie hat gekotzt...?
»Aus vollen Eimern... Es war ein Traum...«
»Du bist so fies...«
Ich grinste gemein. »...Ich bin begeistert...«
Fabio war gerade dabei sich umzuziehen. Da er es meist vorzog, Schwarz zu tragen, entschied er sich für einen ebensolchen Anzug. Dazu ein dunkelrotes T-Shirt und gut. Er sah aus, wie ich ihn liebte. Einen Hauch magisch und sehr düster.
Ja, und wie wir beide so vorm Spiegel standen, er, dunkel und schön, ich eher hell und wirr, in cremefarbenem Leinen, wie wir da so standen und uns gegenseitig musterten, da wurde mir plötzlich eines schlagartig klar: Ich war glücklich. Ich war tatsächlich glücklich mit meinem Leben. Mit Fabio, mit dem 'Luro' und meinen Leuten hier, die ich fast schon als meine Freunde bezeichnen konnte, ja selbst mit Daniele, dem Wirren, war ich glücklich, mit Shiro, und meinetwegen sogar mit dieser, von mir so ungeliebten Hochzeit. Auch die konnte nichts ausrichten gegen mein Glück. Alles war gut, im Hier und Jetzt.
»Was grinst du so...?«, fragte Fabio irritiert. Er bezog meine entrückte Seeligkeit wohl auf sein Outfit.
Als Antwort erhielt er einen Kuss, einen leidenschaftlichen.
Und dann schmiss ich mich auf´s Bett und fing lauthals an zu lachen, wieder Giade vor Augen, wie sie ihr Innerstes nach Außen kippte und hörte erst wieder auf, als Fabio mich gekonnt zum Schweigen brachte.
·
Gegen halb zwei trudelten auch die letzten Gäste via Shuttlebus aus Busalla ein.
Womit ich zunehmend Probleme hatte, war, dass ich mich einerseits als Gastgeber in der Verantwortung sah, mich andererseits aber als geladenes Mitglied der Familie fühlen sollte. Eine zerrissene Situation, die sich auch dadurch nicht verbesserte, in dem Fabio mir andauernd zu raunte, ich solle mich doch einfach mal entspannen.
Er blieb immer in meiner Nähe, wohin ich auch ging. Vom Empfinden her war es sowohl angenehm, als auch lästig. Ich buchte es als Liebesbeweis ab.
Am Morgen schon hatte ich die Entscheidung getroffen, mein goldenes Auge zu tragen. Das mag grenzwertig klingen. Dem Anlass und meiner Garderobe schmeichelte es aber durchaus. Und die Reaktionen darauf gaben mir Recht. Also stand ich angespannt, irritiert und ein Stückweit neben mir, zwischen all den Gästen, Menschen, die ich zum größten Teil sogar kannte. Ich ließ tapfer mein Prosecco-Glas erklingen, simulierte Smalltalk-Laune und ertrug das unverhohlene Beäugen der Fanoeser Gesellschaft, was denn der 'kleine Lauro' wohl in den Bergen so auf die Beine gestellt hatte.
»Ihr seid großartig...«, flüsterte ich Adalgiso in einem unbeobachteten Moment zu, und es freute mich zu sehen, wie ein
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