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Der Herzberuehrer

Der Herzberuehrer

Titel: Der Herzberuehrer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jobst Mahrenholz
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zusammen. Ein stabiler Orlando sicher auch nicht.
    Ich ließ meinen Blick durch den Raum wandern, beobachtete die Gäste, die in ausgelassener Feierlaune Stimmung verbreiteten, tanzten, sich unterhielten, lachten, tranken - es sich einfach gut gehen ließen, aber zeitgleich musste ich auch an Chip, Sandra und die anderen denken, die jetzt vermutlich in einem tristen Wartezimmer um das Leben von Orlando bangten, fiesen Automatenkaffee tranken, vor Unruhe auf und ab liefen, sich mit tröstenden Worten Mut zusprachen...
    Plötzlich fing ich Fabios Lächeln ein. Er lehnte gemeinsam mit Anna an der offenen Terrassentür, eine rauchend, ins Gespräch vertieft.
    Ja, Anna...
    Sie reichte Fabio bis zur Nase, trug ihr schwarzes Haar sehr kurz, was ihre Augen fast schon unnatürlich groß erscheinen ließ und ihrer Erscheinung einen androgynen Touch verlieh. Wie eine von Shiros Manga-Figuren, die er so sehr liebte.
    Fabio schien sich gut mit ihr zu verstehen. Ihre Gesten wirkten einander vertraut, und ihr gemeinsames Lachen ging über Oberflächlichkeiten hinaus. Dann, ganz unvermittelt, so als könnten sie meine Gedanken lesen, wandten sich ihre Blicke in meine Richtung, und ich las Freude, aber auch Verunsicherung aus ihren Augen. Los, komm her - schienen Fabios mir sagen zu wollen, und - bleib bloß wo du bist - die von Anna, was ich angesichts meiner verunglückten Begrüßung am Morgen auch nur zu gut verstehen konnte.
    Doch ich folgte, wie so oft in letzter Zeit, dem Fabio-Blick, angelte mir auf dem Weg zu den beiden noch ein Glas Roten von Claudios Tablett und legte mir innerlich schon mal so was wie eine kleine Rechtfertigungsrede für Anna zurecht. Fabio empfing mich mit einem glücklichen Grinsen, umfasste meine Taille, so dass seine Hand auf meiner Hüfte lag und wand sich wieder meiner Schwester zu.
    »...Frag ihn doch einfach...«, sagte er zu ihr, mit breitem, unwiderstehlichen Lückenlächeln, was ein Erstarren ihrerseits zur Folge hatte.
    Mehr Verlegenheit war in solcher Rasanz wohl kaum zu erzeugen. Und ich war mir sicher, dass es genau das war, was Fabio damit beabsichtigte.
    »Anna...«, holte er aus, nachdem sie beharrlich schwieg, »...Anna gefällt es hier oben so gut, dass sie dich am liebsten Fragen würde, ob sie nicht ein paar Tage dranhängen dürfte.« Sein Blick pendelte zwischen uns hin und her, während er mir eine Schachtel Zigaretten hinhielt, von der ich mich mechanisch bediente. »...Aber sie hat die Befürchtung, dass du nein sagen könntest...«
    »Entschuldige, Luca, ich ...«
    »Du musst dich nicht entschuldigen...«, kam ich ihr zuvor und versuchte ihre Verlegenheit durch ein Lächeln abzufedern. »Dieser peinliche Spinner hier macht so was gerne...«
    Ich streifte ihn mit einem bösen Blick und wand mich wieder Anna zu. »Wenn es dir hier oben gefällt – klar! Gerne! Wenn du bleiben möchtest, kein Problem. Außerdem... Matteo ist ja auch hier, und Renzo...«. Ich sah, wie ihr Blick sich erhellte, und so etwas wie Freude über ihre Gesichtszüge glitt. »...Das wird schön...«, hängte ich noch an und registrierte mit Erleichterung, das sie sich sichtlich entspannte.
    »Seht ihr...«, vernahm ich Fabio aus dem Off.
    Ich blies ihm Rauch ins Gesicht. Was Besseres fiel mir in dem Moment nicht ein.
    ·
    Der erste Bruch des Abends ergab sich, als ich mich dazu entschloss, mal einen Moment mit mir allein zu sein.
    Ich brauchte eine Pause nach all dem, etwas Ruhe, nur mal zehn Minuten für mich.
    Also schnappte ich mir meine Menthol-Zigaretten, schenkte mir einen eisgekühlten Chardonnay ein und trat auf die Terrasse. Mittlerweile hatte es sich deutlich abgekühlt, und die vertraute Feuchtigkeit überzog den Berg mit ihrem klammen Film.
    Es war still und finster. Einen Moment lang blickte ich aus der Nacht heraus, in das behagliche Innere meines Hauses, folgte dem festlichen Treiben, das gedämpft zu mir nach draußen drang, und ich genoss die ersten, kühlen Züge meiner Zigarette. Es tat gut.
    Dann fiel es mir auf.
    Etwas fehlte. Genauer: Jemand fehlte.
    Ich bemerkte Shiros Abwesenheit so gegen ein Uhr, nach dem vierten Zug an meiner Zigarette, dem zweiten Schluck Wein, und schlagartig war mir klar, dass da etwas nicht stimmen konnte. Denn ich hatte meinen Wunsch ihm gegenüber zurückgezogen - jenen, dass er der Feier besser fernbleiben solle. Darauf hatte er freudig überrascht reagiert. So gab es eigentlich keinen Grund für sein Fernbleiben.
    Die Küche war geschlossen, also war er

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