Der Herzberuehrer
gebildet. Unser Glück...
Das war es, was Shiro meinte. Das, und den unwiderruflichen Bruch dieses Lebens, der nur dadurch entstanden war, dass wir, Shiro und ich, waren wie wir sind. Das wir uns geliebt hatten, bedingungslos, und dass es dafür keinen Platz gab. Nicht in den Köpfen meiner Eltern, nicht in Fano, nicht in meiner geliebten Küche...
Das alles schien nun, nach diesem Abend, keine Rolle mehr zu spielen, so empfand er es, vermutete ich. Als hätte es uns und unsere Geschichte nie gegeben.
»Du hast mich nicht einmal angesehen...«, bestätigte er meine Vermutung. »Ich war Luft für dich. Nicht mal vorhanden...«
»Ich war Koch, Shiro...«, sagte ich bestimmt. »...Ein Koch unter Druck. Glaubst du allen ernstes, ich hätte mich sonst bereit erklärt, mit Antonio in einer Küche zu arbeiten? In meiner Küche...«
»Aber du hast mich nicht einmal gesehen...«
»Ich habe Hecht gesehen, Shiro. Roastbeef und Ravioli. Ich hab das gesehen, worauf es heute ankam. Und auf dich kam es nicht an, sorry. So ist das nun mal.«
Ich wusste, dass es hart für ihn klingen musste, aber ich war mir auch sicher, dass er es verstehen würde, mit der Zeit. Die Verletzung, die ich ihm zugefügt hatte, konnte ich an diesem Abend nicht wett machen. Und das wollte ich auch gar nicht. Ich hatte nur das Ziel, ihn auf den Boden der Tatsachen zurückzuholen.
»Im Grunde bin ich völlig allein...«, stellte er nach einem Moment nüchtern fest, und in der Tiefe meines Herzens wusste ich, das er Recht hatte. Ihm zustimmen konnte ich jedoch nicht.
»Und wer hat dich hier aufgepäppelt, dir ein Zimmer gegeben, sich gekümmert? Meinst du, ich habe mir keine Sorgen und Gedanken um dich gemacht? Denkst du nicht, dass ich schlaflose Nächte hinter mir habe, weil ich darüber nachgrübele, wie das alles hier weitergehen soll? Und meinst du, das ist alles so super einfach für Fabio? Denkst du das?«
»Ich verschwinde gleich morgen...«
Das war nun genau das Gegenteil von dem, was ich erreichen wollte, aber seine Reaktion machte Sinn.
»Du weißt ganz genau, dass ich das nicht will...«, versuchte ich es versöhnlich. »...Ich will dir nur zeigen, dass du hier gesehen wirst. Natürlich wirst du das. Jaaa , ich hab die schönen Momente jetzt gerade nicht mit aufgezählt, weil ich genervt bin und unter Druck stehe, aber du bist mir doch nicht egal, Shiro. Und das weißt du auch...«
»Weiß ich das...?«
»Denke schon...«
»Vielleicht hast du Recht...«
»Ja, vielleicht ist das so. Und darum würde ich dich bitten, jetzt mit nach unten zu kommen... Ich seh dich auch...« Und dann fügte ich noch ein »...Versprochen...« hinzu.
·
Shiro blieb, wo er war.
Aber ich verließ ihn mit einem beruhigten Gefühl, nach einer liebevollen Umarmung.
Wir hatten vieles geklärt, und wir waren uns einig darüber, das Weitere in Ruhe anzugehen. Ich nahm mir vor, später noch einmal nach ihm zu sehen, und ich denke, das erwartete er irgendwie auch von mir.
Also konnte ich nun wieder abtauchen, feiern, Gäste genießen, mich rumreichen lassen, von den Fanoesern, was mir anfangs zwar ziemlich auf die Nerven gegangen war, mich mittlerweile aber amüsierte.
Das ganze Fest glich einer skurrilen Reise in die Vergangenheit. Längst vergessen geglaubte Gesichter strahlten mir entgegen, überhäuften mich mit Fragen und Erinnerungen an Geschichten, die bis dahin völlig aus meinem Gedächtnis gestrichen waren. Der kleine Luca als unpünktlicher Messdiener, die Episode mit dem Brot und dem Angler, meine feste Überzeugung, der Wind käme aus den Tiefen des Meeres, all diese Anekdoten wurden in dieser Nacht lebendig und schenkten mir zumindest für ein paar Stunden ein Zugehörigkeits-Gefühl zu einer Welt, der ich selbst einmal angehört hatte.
Und eigenartigerweise schien auch niemand Anstoß an Fabio zu nehmen, obwohl er keinen Moment lang einen Zweifel daran ließ, in welcher Beziehung er zu mir stand. Ich fragte mich zu diesem Zeitpunkt, ob es etwas mit Akzeptanz zu tun hatte.
Gut eineinhalb Stunden später bekam ich meine Antwort.
Und ich hätte gern darauf verzichtet.
·
»Wie hältst du das nur aus...?«, Lorenzo griff meinen Arm, als ich gegen Drei ziemlich abgekämpft von der Tanzfläche kam. Er hatte ein halb getrunkenes Bier in der Hand, diverse in seinem Kopf, und er wirkte genervt. Ich erkannte sehr genau, wann er genervt war, und jetzt war er es. Definitiv!
»...Den ganzen Abend kann ich mir anhören, wie unmöglich es von mir war,
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