Der Herzberuehrer
vielleicht sogar noch etwas Witziges abgewinnen können. Nicht so bei Tomaso.
Diesen Vollidiot mit heruntergelassener Hose in bilderbuchreifer Rammlerpose vorzufinden, in meiner Speisekammer zudem, das gab mir den Rest.
Und das Beste war: Zu Beginn bemerkte er mich noch nicht einmal.
Während die Violine mit entsetzt aufgerissenen Augen die Lage sofort erfasste, tat Tomaso unbeirrt das, was er in diesem Moment meinte, in aller Heftigkeit unbedingt tun zu müssen. Rhythmisch, mechanisch, schwitzend.
Verrückterweise war es wohl meiner Fassungslosigkeit zu verdanken, dass ich auf all das eigentlich ziemlich cool reagierte.
Ich sagte nämlich einfach nur: «...Ich müsste mal an den Käse...« und wies auf das Regal hinter den beiden, was angesichts der Situation schon eine gewisse Komik in sich trug.
Nur das keiner lachte.
Sehr viel mehr gibt es darüber nicht zu berichten. Den Rest kann man sich denken.
Ich hatte ihm eine Nummer versaut, er mir meine Speisekammer.
Aber zumindest gab es nun etwas zu tun.
Also holte ich Lappen und Eimer, um das Bild aus meinem Kopf zu wischen...
·
Was darauf folgte, war typisch für Tomaso.
Er stellte mich eine halbe Stunde später im Treppenhaus, als ich gerade dabei war, leere Flaschen in den Keller zu bringen, baute sich vor mir auf und verschränkte die Arme vor seiner Brust.
»Wenn Giade auch nur ein Wort davon erfährt, dann bist du dran, verstehen wir uns?«, drohte er, und seine Haltung machte mir unmissverständlich klar, dass mein Bruder meinte, was er sagte. Natürlich verstanden wir uns nicht , aber ihm das auseinanderzusetzen hatte wenig Sinn. Also verklickerte ich ihm, dass ich naturgemäß kein gesteigertes Interesse daran hätte, mich mit Giade auszutauschen, da ich sie eh nicht ausstehen konnte.
»Fick doch, was und wen du willst...«, sagte ich, in der Hoffnung, dass das die Sprache war, die er verstand. »...Nur lass mich da raus. Es interessiert mich einfach nicht, klar...« Die Flaschen wurden langsam schwer.
»Und wieso kommst du dann in die beschissene Küche, genau in dem Moment, wenn’s dich nicht interessiert, hä?«
Jetzt reichte es wirklich. War der so blöd? »Ja glaubst du ernsthaft, ich will dir dabei zusehen? Du spinnst doch komplett. Es war widerlich , verstehst du? Ekelhaft! Und das du so absolut bescheuert bist, es auch noch in meiner Küche zu treiben, ist doch das allerletzte und jetzt, jetzt lass mich endlich in Ruhe und verpiss dich...«
Erstaunlicherweise wich er einen Schritt vor mir zurück.
»Du hast Glück, dass heute Rebeccas Hochzeit ist...«, zischte er, »...sonst wärst du jetzt fällig...«
Ich zweifelte nicht einen Moment an seinen Worten. Also setzte ich rasch meinen Weg Richtung Keller fort, ohne ihn weiter zu beachten. Die Hochzeit nahm grausame Züge an, und in mir wuchs die Befürchtung, dass es noch dicker kommen würde.
Nur wie dick, das ahnte ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht.
·
Es war gegen halb sechs am Morgen, als energisches Rütteln an meinem linken Arm apprupt meinen Tiefschlaf beendete.
»Luca, du musst kommen...« Es war Adalgiso, und das, was er mir zuflüsterte, verhieß Ernstes. »...Tut mir leid, aber dein Bruder - es gibt Ärger«.
Ich seufzte, warf noch einen sehnsüchtigen Blick neben mich, auf meinen schlafenden Fabio und nickte dann.
»Komme sofort...«, flüsterte ich zurück und tastete im Dunkeln nach einem Glas Wasser.
Bruch vier.
Dass es wieder Tomaso war, der Ärger verursachte, überraschte mich nicht besonders. Schon im Treppenhaus wusste ich was Adalgiso meinte, denn das Toben meines Bruders war selbst hier, im West-Trakt, unüberhörbar.
Ich hatte mir schnell eine Jeans übergezogen, war barfuß in ein paar Sneakers geschlüpft und flitzte die alten Steinstufen hinunter, immer zwei auf einmal, um diesen Irren zu stoppen.
Als ich die hölzerne Verbindungstür von meinem Treppenhaus zu dem der Gäste öffnete, drang Tomaso ungefiltert zu mir und wie immer, wenn ich mit Aggression konfrontiert wurde, verkrampfte sich etwas in meiner Brust. So wie es klang, faltete er gerade Beppo zusammen, dessen schwache Proteste in einem Schwall wütender Beschimpfungen untergingen.
Tomaso war völlig betrunken. Das hörte man nicht nur, das sah man auch, und ich roch es, als ich ihm gegenüber stand. Ein Blick in sein Zimmer zeigte eine völlig verschreckte Giade, die mit angezogenen Knien auf ihrem Bett kauerte, die Decke schützend über sich gezogen.
»Was willst du hier...?«,
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