Der Herzberuehrer
Tomaso, wenn du davon sprichst, dass Luca pervers ist...? Ist es das ...?« Und dann fragte er, fast flüsternd, aber doch so, dass es jeder hören konnte, an mich direkt gerichtet »...Na Süßer, wollen wir dem dicken großen Mann da drüben mal zeigen, was wirklich pervers ist...?« Und als ich darauf nichts erwiderte, mich einfach in einer Art Schockstarre befand, gab er mir einen Kuss, einen, der es wirklich in sich hatte...
·
Es stimmte mich im Nachhinein schon nachdenklich, dass ich von meinen Geschwistern entweder gehasst oder für ihre persönlichen Rachefeldzüge benutzt wurde. Anna bislang mal ausgenommen.
Lorenzos Auftritt verfehlte seine Wirkung jedenfalls nicht. Er hatte ein feines Gespür, mit welchen Mitteln man einen Fanoeser Lauro aus der Fassung bringen konnte.
Es geschah alles recht schnell.
Renzo löste sich mit einem Plopp apprupt von meinen Lippen, landete mit einem Krachen an der gegenüberliegenden Wand und brach da einfach zusammen. Das Ganze wurde mit einem Laut Tomasos untermalt, der wieder ungewollt das Bild des Zyklopen beschwor.
Dann griff er sich den am Boden Liegenden und schlug mit seinen Fäusten stumpf auf ihn ein.
Allerdings war nun auch Bewegung in Adalgiso, Beppo und mich gekommen, und gemeinsam versuchten wir den völlig ausgerasteten Tomaso von Renzo wegzuzerren, ohne selbst dabei niedergemacht zu werden.
Beendet wurde das Scharmützel durch Rebecca, die sich durch einen markerschütternden Schrei Gehör verschaffte und es so tatsächlich erreichte, dass alle Beteiligten in ihrer jeweiligen Bewegung erstarrten, als seien sie festgefroren.
Rebecca sah müde aus - und traurig.
Als sie dann, Übermuttergleich, einfach nur die Order rausgab, dass alle zurück in ihre Betten sollten, folgten wir, zumindest augenscheinlich, auch brav und ohne Widerspruch.
»Geht es...?«, fragte ich Renzo, während ich ihm vorsichtig aufhalf.
Das war es Wert...«, antwortete er mit einem schiefen Grinsen, »...Aber ich brauch jetzt was Starkes...«
Ich nickte Rebecca zu, die uns besorgt beobachtete und versuchte ein Lächeln. »...Geh ins Bett, wir kommen schon klar...« beruhigte ich sie.
»Bist du sicher?«
»Ganz sicher!«, antworteten wir beide, wie aus einem Munde, Arm in Arm, und mussten plötzlich lachen.
Renzo humpelte, seine Rippen hatten wohl etwas abbekommen, und das Blut aus Nase und Unterlippe sprach für sich.
»Du musst dich hinlegen...«
»Erst einen Poli... oder zwei...« Er grinste breit. »...Mann war das gut...«
»Das war ziemlich hirnverbrannt...«
Renzo nickte, aber sein seliges Lächeln sprach eine andere Sprache.
·
Das wir in der Kapelle landeten, geschah, weil Renzo es sich wünschte.
Ich hatte mir eine Flasche Grappa unter den Arm geklemmt, zwei Gläser in meiner Rechten und stützte ihn beim Gang über den Hof. Es war ein irrer Moment, eine unglaubliche, beinahe unwirkliche Nähe, eine Euphorie, die uns verband.
Die blutige Schlacht war geschlagen, und die Helden, die aus ihr hervorgingen, hießen Lorenzo und Luca, angeschlagen zwar, aber siegreich.
Vor uns Kriegern lag nun die Kapelle, trutzig, im Dunkel der Nacht. Sie wurde nicht mehr vom Lichtkreis der Hoflaterne erfasst, was sie größer erscheinen ließ, als sie eigentlich war.
Irgendwo bellte ein Hund.
Wir waren albern, in Höchststimmung, als wir so über den Hof torkelten, Arm in Arm, ausgelassen lachend. Als wir schließlich die Kapellentür aufstießen, blieben wir für einen Moment unschlüssig stehen, nicht wissend was nun und ließen den Raum auf uns wirken.
»Irre...«, murmelte Renzo und zog mich in eine vom Mondlicht beschienene Ecke, links von der Tür. Ich stellte die Gläser in eine Fensternische und schenkte uns ein.
Wir stießen an, lachten befreit und tranken einen Schluck, dann nahm er mir das Glas aus der Hand, drückte meinen Körper mit dem seinen tiefer in die Nische und legte seine Arme auf meine Schultern.
»Küss mich... bitte... Ja...?« Er flüsterte, während sein Blick voller Hingabe in den meinen tauchte, Stirn an Stirn, unsere Augen nur Zentimeter voneinander entfernt.
Ich kraulte fahrig durch sein Haar, berührte seine Wange, strich mit meinem Daumen vorsichtig das Blut von seiner Lippe, schüttelte aber abwehrend den Kopf.
»Renzo, nein...«, erwiderte ich ebenso leise. »...Das ist keine gute Idee...«
»Aber ich wünsch es mir so seehr...« Er lächelte unter Schmerzen. »...Bleibt doch in der Familie...«
»Und dann...? Was soll dann werden,
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