Der Herzog und seine geliebte Feindin
wolltest du kaufen?“
„Kein Spielzeug.“ Er lächelte sie an und tätschelte ihr den Arm. „Es ist eigentlich sogar eine recht lustige Geschichte. Siehst du, meine Eltern haben unter … merkwürdigen Umständen geheiratet. Mein Vater hatte meiner Mutter weisgemacht, er liebte sie. Sie glaubte ihm. Mein Vater konnte sehr überzeugend sein, wenn er es darauf anlegte. Aber ihr Vater verfügte über etwas mehr Weltkenntnis, und er vermutete, dass Herzöge sich nicht einfach mir nichts dir nichts leidenschaftlich und lebensumwälzend in die Tochter eines Wollhändlers verlieben, die zudem über eine gewaltige Mitgift verfügte. Jedenfalls nicht nach nur einwöchiger Bekanntschaft. Daher hat er, statt meinem Vater einfach eine gewaltige Summe Geld auszuhändigen, alles in einem Treuhandfond angelegt, aus dem solange Geld fließen sollte, wie meine Mutter glücklich war.“
Robert hatte eine zusätzliche Tüte vom Bäcker erstanden. Er öffnete sie, reichte ihr daraus ein Brötchen – knusprig, goldbraun und warm – und nahm sich dann selbst eines. Das begann er in Stückchen zu brechen, die er über das Eisengeländer den Enten zuwarf.
„Das klingt nicht nach dem Anfang einer lustigen Geschichte“, erklärte Minnie zweifelnd.
„Nun, die Hintergrundinformation selbst ist wohl nicht so komisch.“ Robert runzelte die Stirn, während er ein weiteres Stück Brotkruste abbrach. „Aber der Rest schon, versprochen. Wie auch immer, um es kurz zu machen: Mein Vater hatte selbst praktisch kein Geld, und meine Mutter kontrollierte den Rest. Wenn sie daher zu Besuch kam …“
„Deine Mutter kam zu Besuch? Lebte sie denn nicht bei euch?“
„Nein, den Hauptteil der Zeit tat sie das nicht. Ich glaube nicht, dass ich sie in den ersten drei Jahren meines Lebens zu Gesicht bekommen habe.“ Er kratzte sich am Kinn. „Wenn sie mit meinem Vater zusammengelebt hätte, wäre aus dem Treuhandfond ja Geld geflossen – das war so festgelegt. Meine Mutter kontrollierte das Geld durch ihre An- oder Abwesenheit, je nachdem. Sie wollte nicht, dass mein Vater auch nur einen Penny erhielt, daher sagte sie ihm, als er von ihr verlangte, sie solle bei ihm leben, wenn sie mich sehen wolle, er solle zur Hölle gehen.“
Minnie ging im Geiste noch einmal die Unterhaltung mit seiner Mutter durch. Sie hatte alles Mögliche gesagt, aber nicht das hier. Es erklärte jedoch eine Menge. Viel zu viel sogar. Minnie spähte zu ihrem Ehemann, doch der lächelte nur leise, als gehöre das alles zu einem Witz. Er warf ihr Brot in die Luft und grinste, als die Enten sich darum zankten.
„Also, jedenfalls …“
„Warte noch einen Moment. Dein Vater hat nicht zugelassen, dass deine Mutter dich in den ersten drei Jahren deines Lebens sehen durfte?“
„Richtig.“ Er runzelte die Stirn und brach ein weiteres Stück von der Brötchenkruste ab. „Er hatte nach den Regelungen des Treuhandfonds keinerlei Kontrolle über das Geld, aber dem Gesetz nach hatte er mich unter seiner Kontrolle. Daher …“ Er zuckte wieder die Achseln, als sei das vollkommen normal. „Man kann ihm keinen Vorwurf daraus machen, dass er es versucht hat.“
Ach, konnte man nicht? Minnie konnte das sehr wohl.
Aber Robert warf einfach mehr Bort ins Wasser und sprach weiter.
„Als ich vier Jahre alt war“, fuhr er fort, „hatten sie eine Übereinkunft getroffen. Der Vater meiner Mutter gab meinem Vater eine Handvoll Fabriken, damit er sich seine schlimmsten Gläubiger von Leib halten konnte.“ Er schaute Minnie an. „Graydon Boots gehörte dazu. Im Gegenzug wurde meiner Mutter gestattet, mich zweimal im Jahr für ein paar Tage zu sehen.“ Dann versuchte ich immer verzweifelt brav zu sein, wenn sie kam – dieses Mal so artig, dass sie nachher nicht wieder wegfahren würde. Mein Vater hat mich in diesem Bemühen natürlich unterstützt. Als ich sechs Jahre alt war, sah sein brillanter Plan vor, dass ich so tat, als könnte ich nicht lesen, angeblich, weil die angespannte finanzielle Lage meines Vaters es nicht zuließ, einen Lehrer für mich zu bezahlten. Er war sicher, dass ich ihren Willen dieses Mal brechen würde.“
Minnie räusperte sich, weil sich ihre Kehle seltsam eng anfühlte. „Und, hat es gewirkt?“
„Beinahe. Ich habe den mitleiderregendsten Schlingel gespielt, den man je gesehen hat. Ich tat so, als würde ich keinen Buchstaben kennen. Ich starrte blindlings auf Buchseiten und zuckte die Achseln. Ich begann das Alphabet aufzusagen, ließ aber
Weitere Kostenlose Bücher