Der Herzog und seine geliebte Feindin
sehen, wie sich seine Miene änderte – von Ungläubigkeit zu dem überraschten Heben einer Augenbraue. Langsam verzog sich sein Mund zu einem Lächeln. Als er aufschaute, glitzerten seine Augen erheitert, die zuvor so ernst und kalt gewirkt hatten.
„Gut“, sagte er schließlich. „Ich will verdammt sein. Sie haben recht.“
„Wenn man das weiß, bedarf es nur noch schlichter Logik.“ Minnie faltete ihre Hände. „Ein Fabrikbesitzer würde das nicht schreiben – für ihn steht zu viel auf dem Spiel. Und wenn ich die Arbeiter und die Fabrikbesitzer außen vor lasse, bleiben mir nicht mehr viele Möglichkeiten. Sie haben sich gestern Abend hinter dem Vorhang versteckt. Sie sind nicht, was Sie zu sein scheinen. Sie sind die einzige Möglichkeit, die angesichts der zur Verfügung stehenden Beweise Sinn ergibt.“
Sie erwartete, dass er die Urheberschaft erneut abstritt. Was sie ihm hier präsentierte, waren letzten Endes höchst fadenscheinige Beweise.
Aber er widersprach ihr nicht. Er blickte quer durch den Raum zu Lydia – die ihren Tee trank und immer wieder neugierig zu ihnen herübersah. Dann senkte er seine Stimme noch weiter. „Wenn Sie vorhätten, mich öffentlich bloßzustellen, hätten Sie das alles dem Magistrat mitgeteilt, der inzwischen längst mit einer Horde wütender Fabrikbesitzer hier erschienen wäre und verlangt hätte, dass ich damit aufhöre, die Arbeiter aufzuhetzen. Das haben Sie nicht getan. Genau genommen“ – er deutete mit dem Kopf zu Lydia – „haben Sie sich sogar die Mühe gemacht, den wahren Grund Ihres Besuches zu verschleiern. Was wollen Sie von mir?“ Seine Hand ruhte auf seiner Westentasche, da, wo ein Mann seine Geldbörse verwahrte.
„Ich möchte, dass Sie damit aufhören.“
Sein Blick bohrte sich in ihren.
„Bitte.“ Sie schluckte. „Sehen Sie, diese Flugblätter hetzen alle gegeneinander auf. Zu meinen Aufgaben gehört es, Handzettel zur Verbesserung der Hygiene an die Arbeiter zu verteilen – daran ist nichts radikal, es geht vor allem um die Bekämpfung von Cholera. Dennoch könnte der Verdacht auf mich fallen.“
„Aber falls Sie in Verdacht gerieten, würde sich doch sicher rasch Ihre Unschuld herausstellen.“ Er wartete einen Moment. „Es sei denn, Sie hätten etwas zu verbergen. Vielleicht möchten Sie ja nicht, dass jemand fragt, warum eine junge Dame, die kurz vor der Ehe steht, hinter ein Sofa springt, sobald ihr Verehrer naht.“ Er hob eine Augenbraue.
Minnie konnte ihm nicht länger in die Augen schauen. „Genau so verhält es sich“, flüsterte sie und schaute in ihre Teetasse.
„Was für eine Überraschung“, sagte er mit leise neckender Stimme. „Jetzt behaupten Sie nicht, in Ihrer Vergangenheit gäbe es etwas, was Sie verbergen wollen.“
Sie starrte in die braune Flüssigkeit in ihrer Tasse. „Sie mögen das erheiternd finden, aber meine Zukunft ist kein Spiel. Ich habe hart dafür gearbeitet, so weit zu kommen, und ich werde dafür kämpfen, jede Annehmlichkeit zu behalten, die ich für mich erreicht habe, so unbedeutend sie Ihnen auch scheinen mag. Jedenfalls möchte ich nicht, dass mein Leben genauer unter die Lupe genommen wird. Und Sie ebenso wenig, vermute ich. Wenn Sie aufhören, sind wir beide sicher.“
„Sicher.“ Er zog die Silben in die Länge, als wollte er sich das Wort auf der Zunge zergehen lassen. „Mir persönlich liegt nicht viel an ‚sicher‘. Und ich würde Ihnen einen Gefallen erweisen, wenn ich Sie von Ihrem Verehrer erlöse.“
Dem konnte sie schwerlich widersprechen. Aber sie schüttelte den Kopf. „Es ist kein Gefallen, wenn Sie es mir unmöglich machen, einen anderen zu finden. Ich liege meinen Verwandten auf der Tasche, Euer Gnaden. Wenn meine Großtante stirbt, wird der Hof an ihren Cousin gehen. Meine Großtante Eliza und ich werden ohne Obdach sein. Ich muss also heiraten.“ Jetzt hob sie wieder den Kopf und schaute ihm direkt in die Augen. „Mir bleibt keine andere Wahl.“
Sein Blick wurde weicher. „Ihre Vergangenheit … Ist sie so schlimm, dass Sie nur wegen eines Flugblattes befürchten, jemand könnte darin herumstochern?“
Einen Augenblick spielte sie tatsächlich mit dem Gedanken, ihm einfach alles zu sagen. Er wirkte so freundlich und aufgeschlossen, wie er dort saß, den Kopf zur Seite gelegt. Sicherlich könnte sie …
Allein der Gedanke an ein Geständnis bewirkte, dass ihr eiskalt wurde, dass ihre Lungen sich verkrampften.
Sie schaute wieder in ihren Tee.
Weitere Kostenlose Bücher