Der Herzog und seine geliebte Feindin
wieder glatt; sie schaute wieder nach unten, und Miss Pursling sah wieder restlos simpel aus.
Ein anderer Mann wäre vielleicht so verdutzt gewesen, dass er eingewilligt hätte. Aber Robert konnte sich nicht vorstellen, jetzt klein beizugeben – nicht wenn sie den Kopf einzog und auf den Boden starrte. Nein; er wollte sie wieder hervorlocken.
„Sie haben nichts getan“, teilte er ihr mit.
Ihre Miene änderte sich nicht.
„Ich gewinne“, verkündete er. „Sie können mich nicht bis zur Aufgabe langweilen.“
„Sie glauben vermutlich, Kriege werden mit Kanonen, mutigen Reden und furchtlosen Angriffen gewonnen.“ Während sie das sagte, strich sie ihre Röcke glatt. „Aber das stimmt nicht. Kriege werden durch angemessenes Schuhwerk gewonnen. Sie werden von Jungen gewonnen, die in Munitionsfabriken Patronen herstellen, durch Nachschub, der von feindlichen Augen unbemerkt geliefert wird. Kriege werden gewonnen durch peinlich-genaue Aufmerksamkeit selbst für das langweiligste Detail. Wenn Sie warten, bis Sie den Angriff der Kavallerie sehen, Euer Gnaden, haben Sie bereits verloren.“
Er blinzelte erstaunt. „Sie versuchen mich zum Rückzug zu bewegen. Aber das wird nicht funktionieren.“
„Das ist ja das Schöne an dieser Strategie. Alles, was ich tue, enthält eine doppelte Bedrohung. Wenn Sie sich gesprochenen Worten nicht geschlagen geben, zeigen Sie Ihr wahres Wesen. Alles, was Sie sagen, alles, was Sie tun, jedes charmante Lächeln und jede süße Beteuerung – das Höchste, was Sie sich erhoffen dürfen, ist die Art und Weise meines Sieges zu ändern. Dass es so kommen wird, steht jedoch bereits fest.“
Sie wirkte so klein, wie sie da auf ihrem Stuhl saß, so zerbrechlich. Erst wenn er seine Augen schloss und das irrige Bild einer zurückhaltenden alten Jungfer auslöschte, konnte er glauben, was er hörte. Miss Pursling schaute ihm noch nicht einmal in die Augen. Aber ihre Stimme klang unbezwingbar.
„Also“, sagte er, „halten Sie mich für charmant. Das haben Sie zuvor nicht unter meinen Vorzügen aufgezählt.“
„Natürlich sind Sie charmant.“ Sie hob nicht den Blick. „Ich bin ganz hingerissen. Bis zum Hals.“
Da schwang etwas in ihrer Stimme mit, das so bitter klang, dass es fast süß schmeckte.
„Sie sind eine Naturgewalt, Euer Gnaden“, erwiderte sie. „Aber das bin ich auch. Ich auch.“
Sie hatte nicht gesagt, sie sei charmant … und genau genommen war sie das auch nicht. Nicht im gewöhnlichen Sinn. Aber da war etwas unendlich faszinierend an ihr. Er hatte keine Ahnung mehr, wer sie war. Zuerst hatte er geglaubt, sie sei eine kluge Frau mit Feuer und Esprit. Dann hatte er sich gefragt, ob sie ein Mauerblümchen sei. Aber im Augenblick schien sie in keine einzige Kategorie zu passen, weil sie größer und viel komplexer war als alles, was er je zuvor zu Gesicht bekommen hatte.
„Wenn Sie wollen, dass ich aufgebe“, erklärte er leise, „sollten Sie nicht so interessant sein.“
Sie presste die Lippen zusammen.
Aber ehe sie eine Antwort geben konnte, entstand auf der anderen Seite des Salons Unruhe. Robert wandte den Kopf rechtzeitig, um zu sehen, wie eine Frau – Miss Charingford, die Tochter des Hauses, und, wenn er sich recht erinnerte, die Freundin, die Miss Pursling neulich begleitet hatte – so abrupt aufstand, dass ihr Stuhl umfiel.
„Jetzt komm, Lydia“, sagte der Mann, der neben ihr gesessen hatte. „Du kannst doch nicht allen Ernstes vorhaben …“
„Doch, allerdings“, entgegnete Miss Charingford scharf. Und während sie das noch sagte, nahm sie ein Glas Punsch von dem Tisch neben sich. Ehe irgendjemand einschreiten konnte, schleuderte sie den Inhalt dem Mann ins Gesicht. Rote Flüssigkeit tropfte von seiner Nase, seinem Kinn und hinterließ Flecken auf seinem Halstuch. Um sie herum schnappten die anderen Gäste hörbar nach Luft.
„Das kannst du nicht tun!“, rief er und stand auf.
Der Mann war George Stevens. Robert hatte inzwischen zweimal mit ihm gesprochen, sodass er wusste, dass er Hauptmann der Stadtwache war. Ein wichtiger Mann nach den Maßstäben, die hier galten.
„Ach, kann ich nicht?“, fuhr ihn Miss Charingford an. „Dann schau mir zu!“
Sie nahm ihrem Nachbarn das Punschglas aus der Hand und kippte Stevens auch dessen Inhalt ins Gesicht. „Siehst du? Offensichtlich kann ich es sehr wohl.“
Damit reckte sie die Nase in die Luft und stürmte zur Tür heraus.
Robert wandte sich wieder zu Miss Pursling um.
„Ist
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