Der Herzog und seine geliebte Feindin
dort gewütet hatte, die Erde um sie herum geschwärzt und verbrannt, soweit das Auge reichte. Sie konnte den Rauch fast riechen, die verborgene Glut in sich spüren, die noch nicht zu kalter Asche verbrannt war.
„Verlieb dich nicht in ihn, Minnie“, warnte sie sich. Aber es war dunkel im Zimmer, und das Bett war nicht vorgewärmt.
Wenn er nur weniger gut aussähe, weniger reich wäre … und kein Herzog. Ein Schmied. Ein Buchhändler. Jemand anderes mit dem scharfen Verstand, diesen bohrenden Augen, diesem strahlenden Lächeln, das allein für sie gemacht schien.
Stattdessen gehörte er zu den höchstrangigen Adeligen. Er konnte unter Tausenden von Frauen wählen. Vermutlich wählte er gerade in diesem Augenblick eine – das machten Herzöge doch so, oder? Herzöge hielten sich Frauen als Mätressen, konnten sich je nach Lust und Laune zwischen blond, brünett oder schwarzhaarig entscheiden, sich nehmen, was sie wollten und nur ein paar Münzen als Erinnerung zurücklassen. Ein Herzog zu sein, das hieß, dass einem praktisch ständig ein ganzer Harem zur Verfügung stand. Alles, was man tun musste, war den Finger zu krümmen.
Der Gedanke müsste sie abstoßen, aber aus irgendeinem Grund erschien vor ihrem geistigen Auge ein Bild von Robert – nein, sie musste von ihm als Herzog denken, nicht als Namen, nicht als Mensch –, wie er vor einer Reihe Mädchen stand, die eine schmalgesichtige Bordellmutter vor ihm hatte aufmarschieren lassen. Sie stellte sich vor, wie sein Blick an einem Mädchen mit honigbraunem Haar und einem etwas größeren Busen als gewöhnlich hängen blieb.
„Sie“, würde er dann sagen. „Heute Nacht will ich sie.“
Ich begehre dich.
Dumm, dumm, dumm, sich auszumalen, dass sein Verlangen – oder der Anflug davon – lang genug halten würde, um sich eine Frau zu suchen, die ihr glich. Sie wälzte sich im Bett umher. Aber sie konnte die Vorstellung nicht aus ihren Gedanken verbannen.
Vielleicht lag er sogar genau jetzt mit ihr im Bett. Seine Hände würden ihren Busen streicheln. Seine Lippen würde er nicht auf ihre Handfläche drücken, sondern auf ihren Hals, ihre Lippen. Es gäbe kein Zögern, kein Zurückhalten. Es würde nichts geben als sein steinhartes Verlangen.
Er würde sich auf sie legen, sie mit seinem warmen Körper bedecken, und sie würde sich ihm ergeben. Sie würde die Beine spreizen und sie um ihn schlingen …
Diese Gedanken reichten aus, dass ihr Bett wärmer wurde, aber nachdem sie mit dem Vorstellen angefangen hatte, konnte sie nicht mehr aufhören. Es waren ihre eigenen Finger zwischen ihren Schenkeln, ihre eigene Hand auf ihrer Brust. Aber sie malte sich aus, dass er sie ebenso begehrte wie sie ihn, erlaubte ihrer Phantasie das, was ihr im echten Leben versagt bleiben musste. Er kam in sie, hart, fest. Sie zitterte, als sie sich dicht vor den Höhepunkt brachte. Und als sie dann kam, biss sie sich auf die Lippen, um einen Aufschrei zu ersticken, und sah im Geiste sein Gesicht über sich.
Nachher war es im Bett viel zu heiß, so heiß, dass sie die Bettdecke wegwarf und sich von der kühlen Luft umspülen ließ, worauf ihre Brustspitzen sich wieder aufrichteten. Aber auch die Kälte brachte nicht die Klarheit, die sie so verzweifelt brauchte.
Sie stand auf, ging durch den Raum zur Waschschüssel und goss Wasser aus dem Krug hinein. Das Wasser war eiskalt, der Lappen rau auf ihrer Haut.
Vielleicht hatte er sich heute eine Frau genommen, die aussah wie sie. Vielleicht hatte er auch gar keine Frau gehabt, sondern hatte in seinem Zimmer gesessen und getan, was sie eben bei sich gemacht hatte. Der Gedanke erfüllte sie mit tiefer Wehmut.
Wenn nur …
„Es gibt kein wenn “, rief sie sich selbst zur Ordnung. „Nur das, was ist.“
Das war die Realität dessen, was sie akzeptieren musste. Was gerade geschehen war – näher würde sie nie daran kommen, mit dem Duke of Clermont zu schlafen. Eine Nacht durfte sie von ihm träumen, und wenn sie sehr viel Glück hatte, würde auch er an sie denken. Ihre Kehle schnürte sich vor Sehnsucht zusammen.
Es war egal.
Sie hatte vor langer Zeit schon gelernt, dass ihre eigenen Gefühle nicht zählten. Die Dinge lagen nun einmal so, wie sie lagen, gleichgültig, was sie dabei empfand. Und dieses besondere Gefühl … Es hatte sie weit genug aus der Bahn geworfen.
Dennoch tastete sie nach den Vorhängen, um sie zurückzuziehen. In einer anderen Nacht hätte sie vielleicht nach unten geschaut – zu den Kohlfeldern
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