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Der Herzog und seine geliebte Feindin

Der Herzog und seine geliebte Feindin

Titel: Der Herzog und seine geliebte Feindin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Courtney Milan
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an dem Halbkreis aus Schotter vor dem Haus ihrer Großtanten.
    Heute aber, nur für den Moment, den es brauchte, bis ihr Herzschlag sich wieder beruhigt hatte, sah sie empor. Empor zu dem Viertelmond, der durch die Wolkenschleier schien, zu den Sternen, die für die Königin ebenso wie die einfachen Bauern funkelten. Sie schaute solange hoch, bis die Wolken sich vor den Mond schoben und ihn verdunkelten.

    E S WAR SPÄT AN DEM A BEND, ALS R OBERT WIEDER DURCH DIE S TRAßEN von Leicester ging – dieses Mal mit Oliver an seiner Seite. Nebel war aufgekommen, mischte sich mit dem Kohlerauch und verwandelte sich zu einer unselig dicken Suppe, die sie einhüllte. Irgendwo rechts von ihm läutete eine Kirchenglocke neun Mal. Kurz darauf folgten andere Kirchenglocken zur Linken, dann die hinter ihm und schließlich die vor ihm – ein Chor aus Glocken, die alle in dem stummen Griff der Schwaden unheimlich wirkten.
    „Was ist los?“, fragte Oliver schließlich. Sie waren schweigend gegangen, seit es zur halben Stunde geläutet hatte.
    Robert ballte die Hand in seiner Tasche zur Faust.
    „Ich versuche, das Richtige zu tun“, erklärte er nach einer Weile.
    Die Stadt war still. Seltsam, wie stark die schrille Dampfpfeife aus den Fabriken die Tage hier einteilte. Im einen Moment konnte man dem Rattern der Maschinen nicht entkommen, im nächsten wurde es ruhig und still, wie ein lautes Ungeheuer, das erschöpft zusammengebrochen war. Es hinterließ eine merkwürdige Ruhe, die irgendwie lauter war als die Stille auf dem Land. Er meinte spüren zu können, wie seine Zähne im Takt, den die Maschinen nicht mehr vorgaben, klapperten.
    „Läuft etwas schief?“ Oliver sah zu ihm.
    „Da ist diese Frau …“ Robert stieß die Worte hervor, und sein Bruder lachte.
    „Himmel, ich habe nur darauf gewartet, dass du es mir sagst. Sebastian hat sie erwähnt, und es hat ihn fast erschreckt, als ich keine Ahnung hatte, was er meinte. Wer ist es?“
    Robert erzählte es ihm. Nicht alles – er konnte seinem Bruder nichts von den Flugblättern verraten, da das ein Risiko war, das er bewusst allein eingegangen war. Aber von Minnie – wie sie so ruhig und still wirkte, bis sie mit ihm sprach. Wie sie bei ihm das Innerste nach außen kehrte.
    „Ich habe sie geküsst. Und ich kann es einfach nicht vergessen“, erklärte er. „Ich kann es aber nicht wieder tun. Ich weiß, wie diese Dinge laufen, und es ist einfach nicht richtig.“
    „Nicht?“, fragte Oliver leise.
    Die Stille schien jetzt eine gewisse Spannung zu enthalten. Sie sprachen nur selten über das, was dazu geführt hatte, dass sie Brüder waren, aber jetzt stand es zwischen ihnen. Olivers Mutter war eine Gouvernante gewesen, als der Duke of Clermont die Familie, bei der sie angestellt war, besucht hatte. Welche Wahl hatte eine Gouvernante schon, wenn ein Herzog ihr nachstellte? Wenn sie ja sagte, würde er sie nehmen, und wenn sie nein sagte, würde er sie trotzdem bekommen.
    „Ich weiß nicht, was richtig ist“, sagte er schließlich. „Ich bin Herzog. Sie ist die Großnichte einer Frau, die sich bestenfalls nur ganz am Rande der guten Gesellschaft bewegt. Wenn ich mich hier falsch verhalte, bist du der Einzige, dem ich vertraue, dass er mir einen Hieb in die Magengrube versetzt.“
    Oliver schüttelte den Kopf. „So weit wird es nicht kommen.“
    Die letzten Glockentöne verklangen in der Ferne. Robert konnte ihren Kuss immer noch spüren, konnte das Verlangen, das in seinem Blut kochte, fühlen. „Doch, das ist nicht ausgeschlossen. Du weißt, wer mein Vater ist. Zu welcher Sorte Mann er gehörte.“ Er senkte die Stimme. „Und ich begehre sie.“
    So, da war es. Er hatte es laut gesagt. Er begehrte. Er wollte nicht einfach ihren Körper. So wenige Leute wussten, wie er in Wahrheit war, wonach er sich sehnte. Dennoch hatte Minnie sein Wort akzeptiert. Sie hatte nicht vor ihm gekatzbuckelt. Stattdessen hatte sie ihm gesagt, dass sie ihm überlegen war.
    Mehr als das. Er hatte so lange versteckt, was er empfand, was er sich wünschte. Er musste im Parlament hart dafür arbeiten, dass jedes Gesetzesvorhaben, das seine Ziele wenigstens ansatzweise vorantrieb, auch verabschiedet wurde, während er die ganze Zeit am liebsten mit den Zähnen geknirscht hätte, weil es nur so zäh voranging. Das Oberhaus zankte sich über den richtigen Schwellenwert für Wahlrecht durch Landbesitz, während Robert sich an der Vorstellung störte, dass Wahlrecht irgendetwas mit Landbesitz zu

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