Der Herzog und seine geliebte Feindin
Sie seufzte. „Ich hasste allerdings das Lügen. All die Vorwände, warum ich keinesfalls vor anderen meine Kleider ablegen durfte. Das habe ich von Herzen verabscheut. Und als ich dann zwölf war, begann ich für einen meiner Freunde zu schwärmen. Das war … überaus unangenehm.“
„Das kann ich mir denken.“ Er sah sie an. „Das erklärt eine Menge an dir.“
„Ich musste nachher erst von Grund auf lernen, ein Mädchen zu sein. Wie man geht, wie man spricht. So viele kleine Dinge, die man falsch macht. Es war nur … leichter, klein und still zu sein. Auf diese Weise konnte ich keine Fehler machen.“
„Das hört sich an, als müsste ich mich mal gründlich mit dir über die passenden Themen für die Bildung von Mädchen unterhalten“, bemerkte er mit einem plötzlichen Lächeln. „Nachdem wir geheiratet haben.“
„Du bist nicht mit Ernst bei der Sache. Ich bin ein Skandal, der jeden Moment losbrechen kann.“
„Minnie, ich will den Adel abschaffen. Ich schreibe insgeheim radikale Flugblätter. Ich werde nicht entsetzt kreischen: ‚Oh nein. Ein Skandal!‘ und weglaufen. Mich stört ein Skandal nicht.“
Minnie blickte ihm tief in die Augen. „Aber mich, Euer Gnaden. Aber mich.“
Jemand rüttelte einmal an der Tür, dann noch einmal. Ein paar Augenblicke später, nach einigem ziemlich lauten Herumhantieren mit dem Türgriff, öffnete Lydia die Tür. Sie kam herein, einen Krug Wasser in der Hand.
„Das“, sagte Minnie, „muss Wasser sein, das eigens aus Bath geholt wurde. Bist du zu Fuß gegangen oder hast du den Zug genommen?“
Lydia grinste frech. „Und? Ist alles geregelt?“
„Das ist genau auch meine Frage“, erklärte Robert und zog eine Braue hoch.
Und Minnie stellte fest, dass sie ihm nicht antworten konnte. Sie wollte ihn, sie mochte ihn. Wenn er irgendein anderer wäre, hätte sie ihn genommen. Aber ihn zu heiraten würde bedeuten, dass sie nicht nur vor ein paar Menschen trat, sondern vor das ganze Land. Und mit ihm an ihrer Seite würden alle sie ansehen. Ihr wurde übel, wenn sie nur daran dachte.
Sie schaute zur Seite. „Ich brauche mehr Zeit.“
„Zeit? Zeit für was?“, wollte Lydia wissen.
Aber Robert hob eine Hand. „Dann nimm sie dir. Durchdenke es in allen Richtungen, überdenke es aus allen Winkeln. Überlege dir Strategien, wenn es sein muss, und rücke deine Nachschublinien vor. Was auch immer es ist, was du tun musst, um dich sicher zu fühlen.“ Er schenkte ihr ein Lächeln, ein sehr zuversichtliches Lächeln. Ein Lächeln, das sagte, er wusste, sie würde ihn nicht abweisen.
„Lass dir Zeit“, sagte er und trat zu ihr, beugte sich vor. „Und am Ende, Minnie, nimm mich.“
Kapitel Sechzehn
R OBERT HÄTTE WISSEN MÜSSEN, was die Gerüchte bewirken würden, aber der Besuch am nächsten Morgen überraschte ihn doch. Er wollte gerade ausgehen – war sogar bereits vor die Tür getreten – als eine Kutsche vor dem Haus anhielt. Ein Diener sprang vom Trittbrett auf der Rückseite und stellte einen Hocker auf den Gehsteig.
Der Kutschenschlag öffnete sich, und Roberts Mutter stieg aus. Ihr Blick landete auf Robert. Sie runzelte nicht die Stirn. Sie kniff nicht die Augen zusammen. Eigentlich zeigte die Herzogin überhaupt keine Gefühlsregung. Stattdessen trat sie einfach auf den Gehsteig und schwebte die Treppe empor.
„Clermont“, sagte sie zur Begrüßung.
Er neigte den Kopf einen halben Zoll. „Herzogin.“
Sie ging an ihm vorbei ins Haus, als hielte er für sie die Tür auf. Ohne um Erlaubnis zu fragen, wandte sie sich an ein vorbeikommendes Dienstmädchen und bestellte Tee. Er folgte ihr verwundert. Zwei Minuten später hatte sie sich in seinem Empfangssalon niedergelassen und ihre Zofe mit einem Winken aus dem Raum geschickt. Dann drehte sie sich zu ihm um.
„Soweit ich es verstanden habe“, erklärte sie, „hast du es dir offenbar zur Gewohnheit werden lassen, wohlerzogene junge Damen aus der Mittelschicht zu ruinieren.“
Sie sagte das Wort Mittelschicht als röche es nach faulen Eiern.
„Du spielst auf den Vorfall gestern Abend an?“, sagte er im gleichen Ton wie sie. „Ich ruiniere gewöhnlich zwei vor dem Nachmittagstee. Ich habe festgestellt, die Vorfreude lässt die Stunden am Vormittag dann viel angenehmer verfliegen.“
Sie rümpfte die Nase. „Das gehört zu der Sorte Witz, die dein Vater gemacht hätte.“
Roberts Hände ballten sich zu Fäusten. „Nein“, widersprach er. „Das gehört zu den Sachen, die mein
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