Der Herzog Von Köln
für uns«, murmelte Baron Brenal Farnu im Rattenhelm. »Unsere Wissenschaftler nehmen an, dass sie in einer Dimension jenseits der Erde existieren – in einer anderen Zeit oder einem anderen Raum. Dort können sie uns nichts anhaben, wir ihnen allerdings auch nicht. Lasst uns unseren Sieg genießen, ohne ihn durch Gedanken an Falkenmond und Graf Brass zu schmälern …«
»Ich kann es nicht!«
»Oder ist es vielleicht ein anderer Name, der Euch verfolgt, Bruder Baron?« stichelte Nankenseen, der in Londra mehr als einmal Meliadus’ Rivale bei amourösen Eroberungen gewesen war. »Ist es Yisselda? Ist es die Liebe, die Euch bewegt, mein Lord?«
Meliadus umklammerte den Schwertgriff wie in wilder Wut, aber er schwieg. Erst als er sich wieder gefangen hatte, sagte er mit leichter Stimme: »Rache ist es, Baron Jerek Nakenseen, die mich bewegt.«
»Ihr seid ein leidenschaftlicher Mann, Baron …« bemerkte Jerek Nakenseen trocken.
Meliadus steckte sein Schwert in die Scheide, streckte die Hand nach seinem Banner aus und riss es aus der Erde. »Sie haben den Reichskönig beleidigt, und unser Land – und mich. Ich will das Mädchen zu meinem Vergnügen, ich werde sie nehmen, ohne mich von irgendwelchen Gefühlen leiten zu lassen …«
»Natürlich nicht«, murmelte Jerek Nankenseen, nicht ganz ohne Sarkasmus.
»… und was die anderen betrifft, auch sie werden zu meinem Vergnügen leiden – in den Kerkern Londras. Dorian Falkenmond, Graf Brass, der Philosoph Bowgentle, das Pelzgesicht Oladahn von den Bulgarbergen und der Verräter Huillam d’Averc – sie alle werden Qualen ausstehen, viele Jahre lang. Das habe ich beim Runenstab geschworen!«
Sie hörten ein Geräusch hinter sich und drehten die Köpfe, um durch das flackernde Licht zu spähen. Eine Sänfte mit Baldachin wurde von einem Dutzend Athener Gefangenen, die an die Tragestangen gekettet waren, den Hang emporgetragen. Darin saß lässig Shenegar Trott, Graf von Sussex. Graf Shenegar trug im Gegensatz zu fast allen anderen Granbretaniern nicht gerne eine Maske, und wenn es schon sein musste, dann eine aus Silber, kaum größer als sein Kopf, die eine Karikatur seiner eigenen Züge aufwies. Er gehörte keinem Orden an und wurde am Hof des Reichskönigs seines ungeheuren Reichtums wegen, aber auch aufgrund seines fast übermenschlichen Mutes im Kampf gern geduldet. In seiner übertrieben prunkvollen Kleidung und seiner Bequemlichkeitsliebe mochte man ihn leicht für einen aufgeblasenen Narren halten. Er besaß aber, mehr noch als Meliadus, das Vertrauen des Reichskönigs Huon; denn sein Rat war fast immer ausgezeichnet. Offenbar hatte er Meliadus’ letzte Worte gehört.
»Ein gefährlicher Schwur, mein Lord Baron«, sagte er sanft. »Einer, der ohne weiteres Auswirkungen auf den haben könnte, der ihn leistete …«
»Das ist mir durchaus klar«, erwiderte Meliadus. »Ich werde sie finden, Graf Shenegar, das dürft Ihr mir glauben.«
»Ich bin hier, um euch zu erinnern, meine Lords, dass unser Reichskönig voll Ungeduld auf uns wartet, um zu erfahren, dass ganz Europa nun ihm gehört.«
»Ich werde sofort nach Londra abreisen«, erklärte Meliadus. »Denn dort kann ich unsere Magierwissenschaftler aufsuchen, um Mittel und Wege zu finden, meine Feinde aufzuspüren. Lebt wohl, meine Lords.«
Er riss sein Pferd herum und galoppierte den Hügel hinunter. Die anderen sahen ihm nach.
»Seine ungewöhnliche Mentalität könnte zu unser aller Vernichtung führen«, murmelte einer.
»Was macht das schon?« kicherte Shenegar Trott. »Solange alles mit uns untergeht.«
Das Gelächter, das daraufhin aus den Masken drang, verriet den Wahnsinn jener, die es ausstießen, und den Hass, den sie empfanden – Hass auf die Welt und auf sich selbst.
Und das war es, was den Lords des Dunklen Imperiums solche Macht verlieh. Sie schätzten nichts auf dieser Welt, keine menschlichen Wesen, nichts, auch nicht sich selbst. Ihre einzige Unterhaltung war die Verbreitung von Terror und Qualen – eine Beschäftigung, die ihr Leben erfüllte. Für sie war der Krieg das beste Mittel gegen ihre tödliche Langeweile.
2 Die Flamingos tanzen
Des Morgens, wenn sich ganze Wolken von riesigen scharlachroten Flamingos aus ihren Nestern hoben und in bizarrem Tanz durch die Luft schwebten, stand Graf Brass bereits am Rand der Marsch und blickte über das Wasser auf die eigenartige Anordnung der dunklen Lagunen und braunen Inseln, die ihm wie die Hieroglyphen einer alten
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