Der Herzog Von Köln
Sprache schienen.
Die ontologische Offenbarung, die möglicherweise in diesen Mustern verborgen lag, hatte es ihm angetan. Er beschäftigte sich deshalb schon seit geraumer Zeit mit den Vögeln, dem Schilf und den Lagunen, um den Schlüssel zu dieser rätselhaften Landschaft zu finden.
Die Landschaft, so glaubte er, barg eine Botschaft. Vielleicht konnte er hier die Antwort zu dem Dilemma finden, dessen er sich selbst nur halb bewusst war – die Antwort auf diese wachsende Bedrohung, die ihn, so fühlte er, überwältigen würde, körperlich und geistig.
Die ersten Strahlen der Sonne ließen das blasse Wasser aufleuchten. Graf Brass hörte ein Geräusch und wandte sich um. Er sah seine Tochter Yisselda, eine goldhaarige Madonna der Lagunen, eine nahezu übernatürliche Gestalt in ihrem fließenden langen Gewand, auf ihrem ungesattelten gehörnten weißen Pferd auf sich zureiten. Ihr Lächeln erschien ihm, als wisse sie um ein Geheimnis, das er niemals ganz verstehen könnte.
Graf Brass tat, als hätte er sie nicht bemerkt, aber sie war schon sehr nahe und winkte ihm zu.
»Vater- wie früh du schon auf bist. Und nicht zum ersten Mal in den letzten Tagen.«
Graf Brass nickte und wandte sich wieder ab, um die Wasser und das Schilf zu betrachten, dann sah er rasch nach oben, als wolle er die tanzenden Flamingos überraschen, als könnte er in einem solchen Augenblick das Geheimnis ihrer verschlungenen Drehungen erkennen.
Yisselda war abgestiegen und stand nun neben ihm. »Es sind nicht unsere Flamingos«, sagte sie leise. »Und doch sind sie ihnen so ähnlich. Was siehst du?«
Graf Brass zuckte die Schultern und sah sie lächelnd an. »Nichts. Wo ist Falkenmond?«
»In der Burg. Er schläft noch.«
Graf Brass sog scharf die Luft ein und rang die Hände, wie bei einem verzweifelten Gebet, und er lauschte dem Schlagen der großen Flügel über sich. Dann entspannte er sich, legte den Arm um ihre Schultern und führte sie am Ufer der Lagune entlang.
»Der Sonnenaufgang«, murmelte sie, »er ist wunderschön.«
Graf Brass schüttelte den Kopf. »Du verstehst nicht …« sagte er, hielt aber dann inne. Er wusste, dass sie die Landschaft nie auf dieselbe Weise sehen würde wie er. Er hatte einmal versucht, es ihr zu beschreiben, aber sie hatte rasch das Interesse daran verloren, ohne sich die Mühe zu machen, die Bedeutung der Muster zu verstehen, die er überall sah – im Wasser, im Schilf, in den Bäumen, in der Fauna, die hier ebenso reichhaltig war wie in der Kamarg, die sie verlassen hatten.
Für ihn waren diese Muster, die er sah, der Inbegriff einer höheren Ordnung, für sie war es einfach schön – etwas, das man seiner »Wildheit« wegen bewunderte.
Nur Bowgentle, der Philosoph und Poet, sein alter Freund, ahnte, was ihn bewegte. Aber selbst Bowgentle schrieb es weniger den Vorgängen in der Natur und der Landschaft zu als dem Wesen Graf Brass’ selbst.
»Du bist erschöpft und verwirrt«, pflegte Bowgentle zu sagen. »Du vermeinst, etwas zu sehen, das in Wahrheit nur in deinem Geist existiert, ausgelöst durch Erschöpfung und Unruhe …«
Graf Brass’ Antwort auf diese Argumente war lediglich ein finsterer Blick, dann legte er stets die Rüstung an und ritt, sehr zum Unbehagen seiner Familie und Freunde, aus, um die neue Kamarg zu erforschen, die seiner eigenen so sehr ähnelte, außer dass es hier nie Menschen gegeben hatte.
»Er ist ein Mann der Tat, genau wie ich«, hatte Falkenmond, ihr Gatte, ihr erklärt, als sie mit ihm und Bowgentle darüber sprach. »Ich fürchte, sein Geist wendet sich nach innen, aus Mangel an einem Problem, mit dem er sich beschäftigen könnte.«
»Das wirkliche Problem dürfte wohl unlösbar sein«, war Bowgentles Antwort gewesen. Falkenmond hatte sich daraufhin umgedreht, die Hand am Schwertgriff, und war ebenfalls allein seines Wegs gegangen.
Es herrschte eine merkliche Spannung auf Burg Brass, und selbst im Städtchen unten. Die Menschen waren ebenfalls besorgt. Sie freuten sich, den Schrecken des Dunklen Imperiums entkommen zu sein, aber sie wussten nicht, ob ihr Verbleib in diesen neuen, ihrem alten so ähnlichen Land von Dauer war. Als sie angekommen waren, wirkte alles hier unwirklich; die Farben waren die des Regenbogens gewesen, aber nach und nach schien es, als hätten ihre Erinnerungen sich auf das Land hier übertragen, und die Farben wurden natürlicher, und auch sonst fanden sie kaum noch einen Unterschied. Auch hier gab es Herden von einhornigen
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