Der Herzog Von Köln
Macht eruieren, denn die Zeit wird kommen, dass wir in einen Krieg mit ihnen verwickelt werden. Zweifellos hörten sie von unserem Vorstoß und unseren Erfolgen im Nahen und Mittleren Osten, und sie beginnen sich Gedanken zu machen. Wir müssen über sie erfahren, was wir können, und versuchen, sie zu überzeugen, dass wir ihnen wohlgesinnt sind. Sie müssen uns gestatten, Botschafter in ihr Reich zu entsenden. Sollte sich das ermöglichen lassen, werdet Ihr, Meliadus, einer dieser Botschafter sein, da Ihr in dieser Art von Diplomatie besser als jeder andere Unserer Untergebenen versiert seid.«
»Das sind beunruhigende Neuigkeiten, Eure Majestät.«
»Aber wir werden sie zu unserem Besten wenden. Ihr macht den Führer und Begleiter dieser beiden Gesandten. Horcht sie aus. Wir wünschen die Größe und Grenzen ihres Reiches zu erfahren, die Zahl ihrer Krieger, die Art und Schlagkraft ihrer Waffen und die Art ihrer Transportmittel. Wie Ihr seht, Baron Meliadus, deutet dieser Besuch auf eine bedeutend größere potentielle Bedrohung als jene, die von Seiten der verschwundenen Kamarg kommen könnte.«
»Vielleicht, Sire …«
»Nein – ganz gewiss sogar, Baron Meliadus!« Die auch zum Greifen geeignete Zunge zuckte aus dem runzeligen Mund. »Das ist Eure wichtigste Aufgabe. Nur wenn Euch wirklich noch Zeit bleibt, könnt Ihr sie Eurer Rache an Dorian Falkenmond widmen.«
»Aber Majestät …«
»Befolgt Unsere Anordnung gut, Meliadus. Enttäuscht Uns nicht.« Die Stimme klang drohend. Die Zunge berührte den Edelstein, der neben dem Kopf in der Flüssigkeit schwamm. Langsam verfärbte sich die Thronkugel, bis sie schließlich völlig schwarz von der Kuppeldecke hing.
7 Die Botschafter
Baron Meliadus konnte sich des Gefühls nicht erwehren, dass König Huon sein Vertrauen in ihn verloren hatte und ihn absichtlich mit anderen Aufgaben bedachte, um seine Nachforschungen über den Verbleib der Burg Brass zu verzögern. Gewiss – der König hatte durchblicken lassen, dass es wichtig sei, dass er, Meliadus, sich um die Abgesandten aus Asiakommunista persönlich kümmere. Er hatte ihm sogar geschmeichelt und erklärt, dass kein anderer für eine solche Aufgabe in Frage käme. Später hätte er sogar die Gelegenheit, nicht nur erster Krieger Europas zu sein, sondern auch oberster Heerführer von Asiakommunista. Aber Meliadus’ Interesse an Asiakommunista war nicht so groß wie jenes an Burg Brass – denn er fühlte, dass Burg Brass eine bedeutend größere Bedrohung für das Imperium darstellte als Asiakommunista und dass er auch den Beweis für seine Vermutungen erbringen konnte, wohingegen es für eine Bedrohung aus dem Osten keinen Beweis gab.
In seiner kostbarsten Maske und in prunkvollem Gewand schritt Meliadus durch die glänzenden Gänge des Palastes auf den Saal zu, in dem er am Abend zuvor seinen Schwager Taragorm gesprochen hatte. Jetzt diente der Saal einem anderen Zweck – hier fand der Empfang für die Botschafter aus dem Osten statt.
Als Stellvertreter des Reichskönigs hätte sich Meliadus eigentlich höchstgeehrt fühlen müssen; denn sie verlieh ihm Prestige, das gleich nach dem des Reichskönigs kam. Aber selbst dieses Wissen konnte Meliadus’ rachsüchtiges Gemüt nicht völlig befriedigen.
Die Fanfaren von den Galerien rund um den Saal erschollen, als Meliadus den Saal betrat: Die Edelsten Granbretaniens waren hier versammelt, die Pracht ihrer Gewänder und Masken war überwältigend. Die Botschafter Asiakommunistas waren noch nicht erschienen. Meliadus schritt auf die drei goldenen Thronsessel zu, die auf mehreren, stufenförmig übereinander errichteten Plattformen aufgestellt waren, und nahm auf dem mittleren Platz. Das Meer der Adligen verbeugte sich vor ihm, und es wurde still im Saal. Granbretanien hatte die Botschafter selbst noch nicht kennen gelernt, Kapitän Viel Phong vom Orden der Gottesanbeterin war bis jetzt ihr Begleiter gewesen.
Meliadus sah sich im Saal um. Er sah Taragorm, Flana, Gräfin von Kanbery, Adaz Promp und Mygel Holst, Jerek Nankenseen und Brenal Farnu. Einen Augenblick später wunderte er sich, denn irgendetwas schien nicht zu stimmen. Dann erkannte er, dass von allen edlen Kriegslords nur Shenegar Trott fehlte. Er erinnerte sich daran, dass der fette Graf von einer Mission gesprochen hatte. Fehlte er deshalb? Weshalb hatte man ihn nicht davon unterrichtet? Hatte man Geheimnisse vor ihm? Sollte er tatsächlich das Vertrauen des Reichskönigs verloren,
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