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Der heulende Müller

Titel: Der heulende Müller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arto Paasilinna
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Angst, Huttunen, ich bin’s bloß, der Wacht­ meister!«
    Huttunen bat ihn, sich zu setzen. Portimo bot dem Müller zu rauchen an. Es war für Huttunen die erste Zigarette nach langer Zeit. Er nahm tiefe Lungenzüge und sagte dann:
    »In Oulu wurden einem sogar die Zigaretten wegge­ nommen.«
    Portimo fragte, ob man ihn in Oulu schon entlassen habe. Leise gestand Huttunen:
    »Ich bin geflohen.«
    »Das meinte schon der Tervola, als er vorhin anrief. Willst du nicht gleich mit mir kommen?«
    »Ich komme nicht, und wenn du mich erschießt.« Portimo beruhigte ihn und sagte, von Erschießen
    könne keine Rede sein. Der Kaufmann habe lediglich angerufen. Huttunen wollte wissen, oh seine Flucht bereits dem Kommissar gemeldet worden sei. Portimo erwiderte, bisher sei aus Oulu keine Anfrage gekommen und der Kommissar wisse noch nichts davon, daß Hut­ tunen in seinen Sprengel zurückgekehrt sei.
    »Warum willst du mich dann festnehmen, wenn du gar keinen offiziellen Befehl hast?«
    Portimo gab zu, daß dies tatsächlich nicht der Fall sei. Aber der Kaufmann habe nun mal angerufen.
    »Ich hab’ nämlich bei ihm eine Rechnung von drei Monaten offen. Da bleibt mir gar keine andere Wahl, als ihm zu gehorchen. Mit dem Gehalt eines Polizisten kann man es sich nicht leisten, einen Kaufmann zu verärgern. Unser Junge studiert in Jyväskylä am pädagogischen
    Institut, er soll Lehrer werden. Es ist verdammt teuer, einen Mann auszubilden, das sag’ ich dir. Du erinnerst dich wohl nicht an den Antero? Er hat jeden Sommer bei dir in der Mühle gesessen. So ein langer, schlaksiger Bengel.«
    »Ach der, ja… Aber mal ganz was anderes… Ich hab’ furchtbaren Hunger. Im Laden hab’ ich keine Lebens­ mittel gekriegt, obwohl ich mit Geld bezahlen wollte. Ein Dieb bin ich nicht. Es ist bald drei Tage her, seit ich zuletzt anständig gegessen habe, und das war bloß so ein verdammter Brei. Was glaubst du, was für einen Hunger ich habe!«
    Portimo versprach, mit seiner Frau über die Sache zu reden. Aber zu einer täglichen Einrichtung dürfe das nicht werden. Und das Essen würde auch nicht zur Mühle gebracht, sondern an einen anderen Ort, zum Beispiel in den Wald.
    »Es ist ‘ne heikle Sache für einen Polizisten, einem Flüchtigen zu helfen. Verbrechern würde ich kein Essen geben, aber bei dir ist es was anderes. Außerdem bist du ein Bekannter.«
    Portimo bot ihm noch eine Zigarette an. »Wäre es nicht am klügsten, Kunnari, wenn du die
    Mühle verkaufst und nach Amerika gehst? Soviel ich gehört habe, ist es dort nichts Besonderes, verrückt zu sein, in Amerika laufen diese Leute frei rum. Dort würde man dich nicht jagen, du brauchst bloß anständig deine Arbeit zu machen.«
    »Ich verstehe kein Englisch. Nach Schweden kann ich auch nicht wegen der Sprache, und in meinem Alter lernt man die nicht so schnell.«
    »Ja, stimmt… aber hier in der Mühle kannst du nicht mehr bleiben. Im schlimmsten Fall kommt morgen mit der Post die Suchmeldung. Dann bin ich gezwungen, dich festzunehmen und nach Oulu zurückzubringen. Auch ein Polizist muß sich an das Gesetz halten.«
    »Wo soll ich aber hin?«
    Portimo machte Pläne: Wenn Huttunen in den Wald ginge? Jetzt war Sommer, es herrschte schönes Wetter. Der Müller könnte draußen in der Wildnis hausen, über Mittelsmänner versuchen, seine Mühle zu verkaufen, und dann unbemerkt ins Ausland gehen.
    »Du nimmst dir einfach ein Sprachlehrbuch mit in den Wald und lernst dort. Wenn du die Sprache kannst und deine Mühle verkauft hast, gehst du über den Torniofluß nach Schweden rüber und von da in die Welt.«
    Huttunen dachte über die Sache nach. Es stimmte, daß er nicht länger in der Mühlenstube wohnen konnte. Eine Flucht in die Wälder erschien ihm jedoch schwie­ rig. Wie sollte er dort zurechtkommen?
    »Im Krieg haben die Deserteure auch im Wald gelebt, manche jahrelang«, meinte Portimo eifrig. »Was die können, kannst du auch. Falls man dich schnappt, droht dir kein Standgericht. Man schafft dich einfach wieder nach Oulu.«
    Während sie sich unterhielten, war der Abend in die Nacht übergegangen. Portimo saß am Fenster und be­ hielt den Hof im Auge, damit sie nicht von einem Au­ ßenstehenden überrascht würden. Draußen war es still.
    Huttunen fragte, wer seine Speisekammer geleert und seine Geräte mitgenommen habe. Portimo berichtete, er habe zusammen mit dem Kommissar sicherheitshalber die Axt und die Flinte konfisziert. Die Eßwaren habe die Pastorin geholt

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