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Der heulende Müller

Titel: Der heulende Müller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arto Paasilinna
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wickelte seine Pelzmütze fest in eine Decke. Aus einem alten Flanellhemd riß er sich Stoffstücke für Fußlappen heraus, je zwei aus Vorder- und Rückenteil. Die mußten reichen, wenn er die Wollsocken mitzählte, die er an den Füßen trug. Die Stiefel waren zum Glück heil, doch Gummiflicken mitzunehmen war trotzdem ratsam. Huttunen untersuchte die Schäfte seiner Stiefel mit gutem Gefühl: er rieb beim Gehen niemals die Beine aneinander – er war keineswegs X-beinig. Das spart Stiefel. Ein Mann mit X-Beinen verbraucht zwei Paar im Jahr, wenn er auch nur ein bißchen herumläuft.
    »Wetzstein und Feile…«
    Huttunen steckte beide in eine Seitentasche. Aus dem Schuppen holte er die Säge, montierte die Griffe ab, rollte das Sägeblatt zusammen, wickelte es in Pappe und hängte es seitlich an den Rucksack. Als nächstes nahm er die Wäscheleine ab und rollte sie auf. An der Mühle von Suukoski würde eine Weile kein Waschtag gehalten werden.
    Eine Handvoll dreizölliger Nägel. Kamm, Spiegel, Ra­ sierapparat, Pinsel und Seife. Ein Bleistift und ein blau­ kariertes Heft. Er brauchte alles. Sollte er ein paar Bü­ cher einstecken? Er stellte fest, daß er alle Bücher in seinem Regal bereits mehrmals gelesen hatte, es war überflüssig, sie durch die Wälder zu schleppen. Das Radio? Es war zu schwer. Der Apparat ginge vielleicht noch an, aber der Akku war zuviel Gewicht.
    Huttunen schaltete das Radio ein. In den Frühnach­ richten ging es um den Koreakrieg. Jeden Tag reden sie davon, dachte er. Den Bauern gefiel dieser Krieg sehr – so mancher von ihnen war durch Waldverkauf reich geworden, denn der Krieg heizte die Konjunktur an. Ein schäbiger Stapel Schnittholz und eine lumpige Ladung Stämme, und schon hatte der Bauer das Geld für einen Traktor beisammen. Viittavaara und Siponen hatten im Frühjahr derartige Mengen Holz verkauft, daß sie auf Jahre hinaus genug Geld hatten. Verärgert schaltete Huttunen das Radio aus.
    »Menschenskinder, und Siponens Alte besitzt noch die Frechheit, im Bett zu liegen und die Gelähmte zu spie­ len. Für das Weibstück zahle ich dem Kerl keinen Pfen­ nig.«
    Nadel und Faden und ein paar Knöpfe mußten noch mit. Aus einem alten Schulatlas riß Huttunen die Seite mit den nördlichen Landesteilen heraus. Schade, daß er keinen Kompaß besaß. Zwei Garnituren Unterwäsche und eine Unterziehhose. Die ledernen Fäustlinge und die Filzsocken. Die Pelzmütze war schon eingepackt. Huttunen rollte noch die Lammfelljacke zusammen und band sie oben auf den Rucksack.
    »Wer weiß, vielleicht sitze ich noch im Winter draußen im Wald…« Es war eine teure Jacke, er hatte sie sich nach dem Krieg in Kokkola besorgt.
    Hobel, Stemmeisen, Meißel und eine fingerdicke Boh­ rerspitze. Damit konnte er aus jedem Material einen Stiel schnitzen. Wofür brauchte er im Wald eigentlich den Hobel? Vielleicht wäre es doch klüger, ihn dazulas­ sen. Dann fiel ihm ein, daß er sich Skier hobeln mußte, falls er im Winter noch dort draußen saß. Die Skier jetzt im Sommer mitzunehmen war ungünstig. Er stellte sich vor, wie er mitten im Sommer mit geschulterten Skiern herumlief.
    »Wenn einer mich sieht, hält er mich für verrückt.« Der Hobel wurde eingepackt. Kerze, Streichhölzer, das
    Fernglas. Die eine Linse hatte sich getrübt, als das Fernglas im Syväri naß geworden war, doch durch die andere konnte man einwandfrei sehen. Jetzt würde er Zeit haben, das Objektiv zu zerlegen und die Gläser zu polieren. Nun noch die Schere und das Angelzeug: ein Stück Netz, ein knappes Dutzend Spinner und Blinker, Schnur, Angelhaken, Pilker, ein Stück Blei. Damit muß­ te er sich nun seine Nahrung beschaffen, zum Glück hatte er alles vorrätig. Auch Fliegen besaß er dutzend­ weise, hatte sich im vergangenen Winter jede Menge davon geknüpft.
    Der Rucksack war so voll geworden, daß er kaum mehr auf den Rücken zu heben war. Huttunen prüfte sein Gewicht und ging dabei fast in die Knie.
    Er schleppte den Rucksack die Treppe hinunter und unten durch die Luke in den Wald. Es war eine schweiß­ treibende Angelegenheit. Er versteckte den Rucksack in einem Fichtengehölz und kehrte noch einmal in seine Behausung zurück. Ihm war eingefallen, daß ihm viel­ leicht auch der Zinkeimer von Nutzen sein könnte. Er beanspruchte zwar Platz, wog aber nicht viel. Mit dem Eimer in der Hand stand er da und überlegte, ob er irgend etwas Wichtiges vergessen hätte. Nein, er schien alles zu haben, was er brauchte.

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