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Der heulende Müller

Titel: Der heulende Müller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arto Paasilinna
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und an die Frauen in der Arbeitsstube verteilt.
    »Mußte sie gleich noch den Kartoffelsack mitnehmen? Die Kartoffeln hätten sich in der Kammer doch gehal­ ten.«
    »Von den Kartoffeln weiß ich nichts. Vielleicht dachten sie, du bleibst ein paar Jahre in Oulu.«
    »Menschenskinder, ich mußte hier schon das Mehl vom Fußboden kratzen! Das Leben eines Irren kann verdammt beschissen sein. Dabei bin ich nicht mal richtig irre. Da in Oulu hättest du welche sehen kön­ nen.«
    Portimo schrak zusammen und zeigte nach draußen. »Sieh mal, Kunnari… Wer hockt denn da im Garten!« Huttunen stürzte ans Fenster, daß sein Stuhl um­

kippte. Auf der Klubparzelle machte sich jemand zu schaffen, eine Frau. Huttunen erkannte sofort Sanelma Käyrämö, die bei den roten Rüben hockte und Unkraut jätete. Er stürzte hinaus und sprang so schnell die
    Treppe hinunter, daß seine Füße nur jede fünfte Stufe berührten.
    Portimo beobachtete durchs Fenster, wie der Müller über die Rübenbeete zur Klubberaterin rannte, sie in seine Arme riß und ihr einen Kuß auf die Lippen drück­ te. Sie erschrak zunächst sehr, doch als sie den An­ kömmling erkannte, warf sie sich an seine Brust und ließ sich umarmen und herzen.
    Als aus dem Gemüsegarten kurz darauf eifriges Reden zu hören war, öffnete Portimo das Fenster und zischte dem Paar zu:
    »Seid leise! Es könnte euch jemand hören, und dann geht er hin und ruft die Polizei an! Kommt sofort rein.«
    Die beiden kamen mit glücklich glühenden Gesichtern in die Stube. Lange Zeit herrschte Schweigen, bis sich der Polizist räusperte und sagte:
    »Um unseren Kunnari steht es nicht sehr gut, oder was meinen Sie, Fräulein?«
    Die Beraterin nickte. Sie genierte sich in Anwesenheit des Polizisten. Dieser fuhr fort:
    »Ich habe gerade zu Kunnari gesagt, daß er sich im Wald verstecken sollte, erst mal bis zum Herbst jeden­ falls. Dann muß man sehen, wie sich die Situation entwickelt.«
    Die Beraterin nickte wieder und sah Huttunen an, der anscheinend nichts einzuwenden hatte. Portimo bemüh­ te sich um einen amtlichen Ton:
    »Können wir uns darauf einigen, Fräulein Beraterin, daß wir offiziell nichts von diesem Mann wissen? Für mich als Beamten ist es ein bißchen heikel, jemandem in einer solchen Situation zu helfen… Ich will damit sagen: Verheimlichen wir die Hilfeleistung.«
    So wurde es beschlossen. Außerdem vereinbarte man, daß die Beraterin dem Müller noch in derselben Nacht Essen bringen werde, welches von Portimos Frau abzu­ holen war. Sie verließen zu dritt die Mühle. Huttunen nahm eine Decke und einen Regenmantel mit und zog die Gummistiefel an. In seinen Gürtel steckte er das Messer.
    Auf der Landstraße verabschiedete sich Portimo von Huttunen mit Handschlag.
    »Versuch nun, irgendwie klarzukommen, Kunnari. Es sind die Dinge, die hier im Widerstreit stehen, nicht die Männer. Du kannst mir glauben, daß ich dich nicht jagen werde.«
    Nachdem Portimo fort war, gingen der Müller und die Beraterin zur Erleninsel. Sanelma Käyrämö holte von Portimos Frau Kartoffeln und Soße im Henkelmann. Obwohl das Essen unterwegs ein wenig abgekühlt war, schmeckte es dem hungrigen Müller vorzüglich. Er aß schweigend, fast andächtig, sein großer Adamsapfel an der Kehle bewegte sich auf und ab. Der Anblick wirkte auf die Beraterin so rührend, daß sie dem Essenden eine Hand auf die Schulter legte und mit der anderen sein Haar streichelte. Waren darin graue Strähnen aufgetaucht, seit sie ihn zuletzt gesehen hatte? Im Dämmerlicht des Zeltes ließ sich das nicht mit Be­ stimmtheit sagen.
    Die Klubberaterin spülte das Gefäß aus. Anschließend begleitete Huttunen sie zum Ufer der Insel, folgte ihr aber nicht über den Bach. Tränen traten ihm in die Augen, als Sanelma Käyrämö im nachtdunklen Erlenge­ strüpp verschwand.
    Traurig kehrte er in sein Zelt zurück, streckte sich auf dem trockenen Heu aus und dachte, daß er nun ganz allein sei. Die Nacht um ihn war vollkommen geräusch­ los, kein einziger Vogel sang.
    2. Teil
    Die Jagd auf den Einsiedler Das Leben des Müllers Gunnar Huttunen war jetzt an einem bedenklichen Wendepunkt angelangt: Er war ein mühlenloser, obdachloser Mann. Man hatte ihn und er sich aus der Gemeinschaft der Menschen ausgeschlos­ sen. Wie lange er den menschlichen Ansiedlungen fern­ bleiben mußte, war nicht zu sagen.
    Einsam saß er am Bach und lauschte dem Plätschern der Stromschnelle, die in der Kühle der Sommernacht das

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