Der heulende Müller
drinnen unter vier Augen mit ihm
sprechen zu dürfen. Widerstrebend führte Tervola ihn in den Laden, ließ aber die Tür zur Wohnung offen, damit seine Frau alles hören konnte. Huttunen setzte sich auf die Kartoffelsäcke, nahm aus dem Kasten eine Flasche Leichtbier und begann langsam zu trinken. Dann zählte er dem Kaufmann seine Wünsche auf:
»Ich nehme ein Kilo Dauerwurst, dann ein halbes Kilo Schmalz, ebensoviel Butter, zwei Päckchen Zigaretten, außerdem Kaffee, Zucker, einen halben Scheffel Kartof feln, Tabak.«
»Ich verkaufe nichts an Irre.«
Huttunen holte Geld heraus und hielt es dem Kauf mann hin.
»Ich zahle meinetwegen das Doppelte, aber gib mir jetzt die Sachen, ich sterbe vor Hunger.«
»Wie ich schon sagte, der Laden ist geschlossen. Ich verkaufe dir nichts, du hättest in Oulu bleiben sollen. Deine Flucht ist eine kriminelle Handlung.«
Tervola überlegte eine Weile, ehe er fortfuhr: »Wir hatten es hier so ruhig, als du weg warst. Wir
haben es alle richtig genossen. Du gehst besser wieder zurück, von mir kriegst du nichts.«
Huttunen stellte die leere Bierflasche in den Kasten und warf ein paar Münzen als Bezahlung auf den La dentisch. Dann sagte er ruhig:
»Ohne Essen gehe ich hier nicht raus. Verflucht, ich habe zuletzt am Donnerstag in Oulu gegessen, oder war es Mittwoch?«
Kopfschüttelnd zog sich der Kaufmann hinter seinen Ladentisch zurück. Doch als Huttunen auf ihn zukam, begann er eilig, Lebensmittel aufzustapeln. Er holte Zucker und Kaffee aus den Regalen, suchte Dauerwurst, Schmalz und Butter heraus und nahm Mehl und Kartof feln aus der Kiste. Er häufte alles vor Huttunen auf, knallte die Tüten und Pakete auf die Glasplatte, daß die Vitrine klirrte. Schließlich warf er noch ein paar Schach teln Zigaretten und ein Paket Streichhölzer obendrauf:
»Da, nimm, kannst es stehlen!«
Huttunen bot ihm Geld an, aber Tervola lehnte ab. »Stiehl es, steck alles ein! Geld nehme ich nicht von
dir, aber berauben darfst du mich. Ich kann mich als alter Mann schlecht gegen einen Irren wehren.«
Huttunen hatte bereits damit begonnen, sich die Le bensmittel unter den Arm zu klemmen. Jetzt legte er die Pakete wieder auf den Ladentisch. Zornig fuhr er Tervola
»Ich habe noch nie was geklaut und mache es auch jetzt nicht. Ich will die Sachen für Geld kaufen.«
Aber der Kaufmann wollte das Geld nicht nehmen. Er stieß die Scheine zurück, obwohl der Müller sie ihm wieder und wieder hinhielt.
Tervola füllte noch zwei Kilo Grieß und ein Kilo Rosi nen ab, warf die Tüten auf den Ladentisch und schnauz te:
»Stiehl die auch!«
Huttunen konnte die Behandlung nicht länger ertra gen. Er packte die Klinke der abgesperrten Ladentür. Die Krampen des Schlosses fielen klirrend zu Boden, als der Müller sich seinen Weg ins Freie bahnte.
Kaufmann Tervola trat auf die Treppe, er wollte wis-sen, wohin der Müller gelaufen war. Auf dem Hof sah er niemanden, aber im Wald hörte er es knacken. Das konnte nur Huttunen sein. Der Kaufmann verschwand wieder im Laden und verstaute schnell sämtliche Waren an ihrem Platz. Dann ging er in seine Wohnung, um die Polizei anzurufen.
Er erzählte Wachtmeister Portimo, Huttunen sei aus der Irrenanstalt geflohen. Der Flüchtige sei bei ihm im Laden gewesen und habe gewaltsam Waren kaufen wollen, aber er, Tervola, habe ihm nichts gegeben.
»Geld hat er gehabt, der Kunnari, aber ich bin hart geblieben und habe nichts von ihm genommen. Eben ist er in den Wald gerannt. Du mußt versuchen, ihn zu finden und gleich festzunehmen. Sonst geht das mit dem Geheul wieder los.«
Nach dem Gespräch setzte Wachtmeister Portimo seufzend die Dienstmütze auf und fuhr mit dem Fahrrad zur Mühle von Suukoski.
Huttunen saß hungrig in der Mühlenstube, den Kopf in die Hände gestützt. Der Abend war schon weit fortge schritten. Bald würde es Nacht sein, eine einsame und hungrige Nacht. Der Müller trank aus der Schöpfkelle Wasser und setzte sich müde ans Fenster. Wenn jetzt Klubberaterin Sanelma Käyrämö den Hang herunterge radelt käme, könnte sich alles wieder zum Besseren wenden.
Tatsächlich kam jemand in Sicht, allerdings ein älte rer Mann, der sich als Wachtmeister Portimo entpuppte.
18
Der Polizist lehnte sein Fahrrad an die Wand und betrat polternd die Mühle. Er stellte fest, daß die zugenagelte Außentür aufgebrochen war, also war der Müller wahr scheinlich zu Hause. Auf der Treppe rief Portimo vor sichtig:
»Keine
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